Myroslaw Marynowytsch, 1949 im ukrainischen Dorf Komarowytschi nahe Lwiw geboren, ist ukrainischer Menschenrechtsaktivist, Mitbegründer der ukrainischen Helsinki-Gruppe, politischer Gefangener, später Präsident und jetzt Ehrenpräsident der ukrainischen Vereinigung von Amnesty International und Ehrenpräsident des ukrainischen PEN-Zentrums sowie Träger des Ordens der Freiheit der Ukraine und zahlreicher anderer Ehrungen. Er arbeitet als Publizist sowie Religionswissenschaftler und Vizerektor der Ukrainischen Katholischen Universität in Lwiw.
Wegen seiner Mitarbeit in der ukrainischen Helsinki-Menschenrechtsgruppe wurde Marynowytsch während der Breschnew-Ära sieben Jahre als Dissident in einem Arbeitslager inhaftiert und zwangsweise für drei Jahre ins Exil nach Kasachstan geschickt. Die Gruppe war die erste legale, nicht im Untergrund agierende Gruppe der Widerstandsbewegung, welche die Menschenrechtsituation in der Ukraine während der Sowjetzeit an die Öffentlichkeit brachte. Myroslaw Marynowytsch wuchs in einer eng verbundenen galizischen Familie auf, absolvierte die sowjetische Schule und studierte Elektrotechnik am Polytechnikum in Lwiw. All dies spielte auch eine wichtige Rolle bei seiner Entwicklung in Richtung Widerstand gegen das totalitäre Regime.
Authentisch, bewegend und offen erzählt er vom Leben im sowjetischen Kyjiw während der Zeit der Helsinki-Bewegung, von den Aktivitäten der ukrainischen Gruppe, von der Überwachung durch den KGB, von ungerechtfertigten Verhaftungen und der ungerechten sowjetischen Justiz. Er berichtet ausführlich über das Leben im Lager für politische Gefangene »Perm-36« und beschreibt die Umstände seiner anschließenden Verbannung. Er widmet dem spirituellen Wachstum eines Menschen in einer Extremsituation große Aufmerksamkeit, gibt faszinierende Einblicke in seine Gedanken zum Dissidententum und zum Wesen des Totalitarismus. Zuletzt fällt er sein Urteil über das kommunistische System – auch angesichts des Krieges von Russland gegen die Ukraine, der mit der Annexion der Krim im Februar 2014 begann, am 24. Februar 2022 mit einer umfassenden Invasion fortgesetzt wurde und immer noch andauert. Das Buch endet zudem mit zukunftsweisenden Überlegungen über den Krieg hinaus.
Das Buch ist ist die unglaubliche Geschichte eines Menschen und seines Mutes, nicht einfach wie fast alle zu resignieren vor den herrschenden Zuständen: damals der Kommunismus mit seiner völliger Überwachung der Bevölkerung, der Fremdsteuerung durch Moskau, der Verhinderung elementarer Menschenrechte wie Glaubens- und Meinungsfreiheit, einer freien Presse und einer freien Wirtschaft (nicht einmal eigene Bauernbetriebe oder Gewerbebetriebe waren in der Ukraine möglich). Die Bevölkerung sollte «entukrainisiert» werden bzw. russifiziert. Einmal mehr in der Geschichte war man als Ukrainer ein Mensch «zweiter Klasse» (oder noch weniger).
Myroslaw Marynowytsch schluckte das alles nicht und gründete, nachdem Breschnew die Helsinki-Erklärung zur Wahrung der Menschenrechte unterschrieben hatte, zusammen mit neun weiteren mutigen Leuten eine ukrainische Helsinki-Gruppe. Sie wollten so die Einhaltung anmahnen. Sie wussten auch um den Preis. Alle wurden verurteilt, landeten im Straflager für «besonders Gefährliche» und in der Verbannung. Doch seine Familie hielt zu ihm und ebenso die Frau, die ihn heiratete, was für ihn unter diesen Umständen nicht selbstverständlich war.
Heute ist er eine starke Stimme in der Ukraine und weit darüber hinaus. So konnte er den ehemaligen amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter treffen und ihm persönlich für seine damalige Initiative für die Menschenrechte danken, aber auch den polnischen Papst Johannes II und den heutigen Papst Franziskus.
Seine Memoiren sind authentisch und ungeschönt offen. Trotz allem zeigt er immer wieder seinen für ihn typischen Humor. Er verfügt zwar über keinen Doktortitel, den er problemlos geschafft hätte – für ihn sind seine Erfahrungen durch das Leiden und die unerwartete persönliche Begegnung mit Gott mehr als genug.
Monate lang habe ich an einer vorhandenen Übersetzung gearbeitet und diese so weit gebracht, dass ein Verlag sie gerne übernahm. Trotz zusätzlichen Lektorat ist sie nicht perfekt, aber gut und flüssig lesbar.
Das Buch umfasst 580 Seiten und 60 historische Bilder, inklusive einer Einleitung des weltweit bekannten Experten der Geschichte Osteuropas, Timothy Snyder, und einem Nachwort von Max Hartmann.
Aus Buchbesprechung ukrainischer Originalausgabe von Bodhan Pasthuk
Das Buch beginnt mit einem Gespräch über die Familie, über die komplexen Episoden der Familiengeschichten, die das Bewusstsein des Jungen auf die eine oder andere Weise geprägt haben. Familiengeschichten sind immer prägend, immer innerlich abschließend, und so ist es auch hier. Das Wissen um die starken Emotionen in den Überzeugungen der Männer, die in der Familienkette vor dem Autor kamen, konnte ihn nur direkt betreffen. Dieses unsichtbare Gesetz der inneren Vererbung zieht sich durch das ganze Buch.
Ein weiteres gemeinsames Merkmal, das sich durch das gesamte Buch zieht, ist die Offenheit. Und das gilt nicht nur die Beschreibungen über das schwierige Lagerleben, wo die Menschen bei Konfrontationen mit der Verwaltung manchmal zu unglaublichen Aktionen (Transport von Kapseln mit Texten) gegriffen haben. Auch die Erinnerungen an das Familienleben und die schwierige Beziehung zu seinem Vater sind von Offenheit durchdrungen. All das wird stilistisch so präsentiert, dass es sich wie eine literarische Geschichte mit einer tiefen psychologischen Selbsterkundung liest.
Irgendwann verspürte jeder der jungen Männer (den Dissidenten) das Bedürfnis nach innerer Wahrhaftigkeit, das sich in einer ehrlichen, unverfälschten Sprache manifestierte. Dieser Hauch von Freiheit durchbrach sofort die bisherigen Denkschemata und verwandelte diese stabile Welt in eine neue, aus der es unmöglich war, sie zu verlassen, so luxuriös und frei war sie im Vergleich zur üblichen Verlogenheit. In seinen Kolyma-Geschichten bezeichnet Varlam Shalamow diese Haltung als einen Virus, der nicht geheilt werden kann.
Und hier müssen wir innehalten und über eine sehr wichtige Eigenschaft des Autors sprechen, die auch bei anderen politischen Gefangenen zu finden ist (aber hier ist sie definitiv charakteristisch) - die Abwesenheit von Zorn gegenüber Menschen, die mit gesenktem Kopf innerhalb des Systems gehandelt haben. Diese Freundlichkeit trägt auf seltsame Weise zur Klarheit der Sicht und damit zum Denken bei. Ein solcher Zustand erfordert natürlich eine Menge innerer Arbeit: innerhalb der goldenen Mitte zu bleiben.
Es sollte auch gesagt werden, dass der Autor gut darin ist, psychologische Porträts von Menschen zu erstellen.
Das Buch ist einfach durchdrungen von Themen, die du nirgendwo anders lesen kannst. Im Allgemeinen kann das Buch gut in Zitate zerlegt werden. Sie sind so lebensbejahend, aufschlussreich und von einem Mann geschrieben, dessen Erzählung einen sehr lebendigen, ständig suchenden Geist offenbart. Hier findest du nicht das Mentoring eines alten politischen Gefangenen. Stattdessen wirst du ständige Herausforderungen an dich selbst, Zweifel, Erkenntnis, Gefühlsbewegung und das Spiel deiner Gedanken erleben.
Und natürlich den Stil, der die inneren Landschaften des Autors zum Ausdruck bringt. Marynowytsch hält die Spannung von Zweifel und Streben in sich selbst aus, was sich auf den Leser überträgt: "Ein Mensch ist nie die ganze Zeit gleich stark. Im Gegenteil, auf Höhen folgen Tiefen und manchmal sogar Stürze, und es ist wichtig, sich im Moment des schmerzhaften Zusammenbruchs nicht zu sagen: ‚Das war's, ich bin verloren - ich werde nie wieder aufstehen.‘ Eine unsichtbare, aber rettende Hand ist immer für dich da..." Und das dornige und feindselige Universum wird interessant, öffnet sich uns unter dem durchdringenden, freundlichen Blick des Autors.
Die ganze Buchbesprechung:
Die Zeit lebt in Erinnerungen auf - Blog Max Hartmann (max-hartmann.ch)
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