Was ist Wahrheit - Predigt, Teil 1

Gottesdienst 22. Juli 2024 in Oftringen

«Was ist Wahrheit?» Teil 1

Pfarrer Max Hartmann

 

Was ist Wahrheit?

 

I. Diese Frage ist so alt wie die Menschheit.

 

In der biblischen Urgeschichte begegnet sie uns in der die Frage der listigen Schlange, die sie an das erste Menschenpaar stellt:

 

BB 1. Mose 3

Die Schlange war schlauer

als alle anderen Tiere des Feldes,

die Gott der Herr gemacht hatte.

Sie sagte zu der Frau:

»Hat Gott wirklich gesagt,

dass ihr von keinem der Bäume im Garten essen dürft?«

Die Frau erwiderte der Schlange:

»Von den Früchten der Bäume im Garten

dürfen wir essen.

Nur die Früchte von dem Baum,

der in der Mitte des Gartens steht,

hat Gott uns verboten.

Die Schlange entgegnete der Frau:

»Ihr werdet ganz bestimmt nicht sterben.

Denn Gott weiß:

Sobald ihr davon esst,

gehen euch die Augen auf.

Ihr werdet wie Gott sein

und wissen, was Gut und Böse ist.«

Da sah die Frau, dass dieser Baum zum Essen einlud.

Er war eine Augenweide und verlockend,

weil er Klugheit versprach.

Sie nahm eine Frucht und biss hinein.

Dann gab sie ihrem Mann davon, und auch er aß.

Da gingen den beiden die Augen auf,

und sie erkannten, dass sie nackt waren.

Sie banden Feigenblätter zusammen

und machten sich Lendenschurze.

Als am Abend ein kühler Wind blies,

ging Gott der Herr im Garten umher.

Der Mann und seine Frau hörten ihn kommen.

Da versteckten sie sich vor Gott dem Herrn

zwischen den Bäumen im Garten.

Gott der Herr rief den Menschen

und fragte: »Wo bist du?«

Der Mensch antwortete:

»Ich habe dich im Garten gehört und Angst bekommen.

Ich habe mich versteckt, weil ich nackt bin.«

Gott fragte:

»Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist?

Hast du von dem verbotenen Baum gegessen?«

Der Mensch entgegnete:

»Die Frau, die du mir zur Seite gestellt hast,

hat mir davon gegeben, und ich habe gegessen.«

Da fragte Gott der Herr die Frau:

»Was hast du getan?«

Die Frau erwiderte:

»Die Schlange hat mich dazu verführt,

und ich habe gegessen.«

 

In dieser Geschichte sehen wir die Wahrheit über unser Menschsein. Zunächst: Ein Verbot reizt, es trotzdem zu versuchen – die Grenzen zu überschreiten und zu sehen, was geschieht. Stimmt es wirklich, dass es schlimm ist?

 

Die Wahrheit Gottes lässt sich erkennen, wenn wir seine Grenzen verletzen und  bitter erfahren, wie gut Gott es eigentlich meint, wenn er uns davor warnt.

 

Es sind ganz viele Themen in unserem Leben, die uns in diese Geschichte zeigt:

 

- Die Tatsache der Versuchung.

- Unsere Lust, die Grenzen zu überschreiten, es einfach einmal zu versuchen.

- Die Erfahrung, dass es falsch gewesen ist.

- Unsere Peinlichkeit

- Scham und Schande

- Wir werden zur Rechenschaft gezogen

- Wir weichen aus und suchen Ausreden

- Wir geben anderen die Schuld

- Wir können unserer eigenen Verantwortung nicht ausweichen

- Wir müssen unsere Schuld zugeben und Verantwortung übernehmen

 

Das alles ist nicht nur bei Adam und Eva, es sind wir alle, und immer wieder im Leben so zeigen – unsere eigene bittere Wahrheit.

 

 

Was ist die Wahrheit?

 

II. Christus ist die Wahrheit

 

Als Christen sind wir überzeugt, dass die Wahrheit nicht ein Was, sondern ein Wer ist, weil Jesus uns gesagt hat: «Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als durch mich.» (Joh 14,6)

 

Die Wahrheit ist nicht irgendwie eine Philosophie, eine menschliche Lehre. Die Wahrheit ist ein Person – und nur irgendeine: Es ist Jesus Christus. Gott hat ihn gesandt, damit wir in ihm zur Wahrheit finden.

 

Die Wahrheit ist keine Sache, die Wahrheit ist eine Beziehung. Wenn wir Jesus nachfolgen, erschliesst sich uns die Wahrheit, er ist der Weg zum Leben in der Wahrheit.

 

Wahrheit ist der Weg zum Leben, auf dem uns Jesus vorangeht. Wir sind dazu berufen als seine Jünger. Jünger sind Lehrlinge bei Christus als dem Meister. Den Master erreichen wir aber nicht. Wir bleiben stehts Jünger, bis ans Ende unseres Lebens. Wir machen immer wieder Fehler, wir müssen viel lernen, manchmal sehr bitter und sogar immer wieder an denselben Stellen. Wir stürzen und fallen, sind aber nie hoffnungslose Fälle, wir dürfen ehrlich sein, dazu stehen und Gottes Vergebung annehmen. Wir fallen nicht nur, wir stehen wieder auf und und gehen wieder weiter, versuchen es neu, werden etwas schlauer und kommen sogar ein wenig voran.  

 

Zwischenstopp

 

Was bedeutet das alles?

 

Als Erstes ist es einfach diese Tatsache: Das Böse existiert. Der Teufel ist keine Phantasie.

 

Die Bibel spricht davon, dass der Teufel Gott nachahmt. Er verkleidet sich als Engel des Lichts. So sagt es Paulus (2. Kor 11,14). Sein Wesen ist mörderisch, seine Verlockungen sind falsch. Jesus sagt: «Er (der Teufel) war von Anfang an ein Mörder und hat nichts mit der Wahrheit zu tun. Es ist keine Wahrheit in ihm, er ist ein Lügner und der Vater der Lüge.» (Joh 8,44)

 

Darum ist es wichtig, dass wir das Böse und die Machenschaften des Teufels erkennen. Es gibt dazu drei klare Zeichen: Täuschung, Hass und Gewalt. In all diesen drei Formen zeigt sich das Böse. Täuschung, Hass und Gewalt. Und manchmal ist alles ineinander verwoben.

 

Wir können das Böse erkennen. Es ist klarer, als wir manchmal meinen. Lüge, Hass und Gewalt. Wo das geschieht, dürfen wir nicht schweigen.

 

Wer behauptet, dass die Ukraine oder die USA Russland angegriffen hat, und nicht Russland, verdreht die Wahrheit und lügt. Wer sagt, dass Israel die Hamas angegriffen hat, ebenso.

 

Wer gegen andere hetzt, gegen Juden oder Moslem, Christen oder Atheisten, Rechte oder Linke handelt nie nach Gottes Wille. Zwischer Hetzen und eine andere Meinung haben, etwas gut begründe klar ablehnen, besteht ein grosser Unterschied.

 

Und Gewalt ist kein Mittel. Weder in der Sexualität, noch in der Erziehung, noch in der Politik. Wenn wir jemanden in einem Kommentar schreiben: Ich bringe dich um. Oder die Leute auffordern, das Kapitol zu erstürmen oder das Bundeshaus abzubrennen, dann müssen wir einschreiten.

 

Dann braucht es manchmal auch die Polizei und damit eine Gewalt, die für eine gute Ordnung sorgt. Denn Tatsache, dass der Teufel «wie ein brüllender Löwe herumgeht und sucht, wen er verschlingen kann» (1. Petrus 5,8) braucht eine klare Antwort.

 

Eine gewaltfreie Welt ist unmöglich. Wer zu Unrecht angegriffen wird, wer Hass, Gewalt oder Verleumdung erlebt, muss geschützt werden. Wir müssen Recht und Ordnung verteidigen und darüber wachen, dass unsere Justiz und Polizei korrekt handelt. Wenn das nicht geschieht, müssen wir vielleicht sogar auf die Strasse und friedlich dafür kämpfen.

 

Das Zweite. Wenn wir Jesus nachfolgen, und damit seinem Weg zum Leben in seiner Wahrheit verfolgen, müssen wir ständig von ihm lernen.

 

Wir brauchen Unterweisung, wir brauchen die Bibel. Wir lesen sie nicht nur theoretisch oder dann, wenn wir gerade Lust danach haben. Als ich vor einigen Wochen hier im Gottesdienst war, hat Basil Widmer an das berühmte Band erinnert, das lange junge Leute lange an ihrem Gelenk trugen: «What would Jesus do?»

 

Dahinter steht eine alte Geschichte aus der Erzählunge «In seinen Schritten» von Charles Sheldon, erschienen 1896, bis heute ein Bestseller. Im Buch geht es um einen Pfarrer, der Sonntag für Sonntag seiner gut bürgerlichen amerikanischen Gemeinde das Evangelium verkündet, sich aber dadurch eigentlich nichts bewegt. Sie nehmen es nett zur Kenntnis, aber im Alltag zeigen sich keine Folgen.

 

Am Sonntag kommt ein fremder, ungepflegter Mann in seiner verzweifelten Situation in die Gemeinde, steht mitten im Gottesdienst auf und fragt um Hilfe und erinnert an Jesus. Die Gemeinde reagiert peinlich berührt und wünscht sich, dass er verschwindet. Auch der Pfarrer fühlt sich dem gegenüber hilflos.

 

Später hören sie, dass dieser Mann inzwischen gestorben ist. Niemand half ihm. Dem Pfarrer lässt die ganze Sache keine Ruhe. Irgendwie kam es ihm vor, als wäre Jesus in diesem fremden Mann der Gemeinde erschienen.

 

Sie hätten eigentlich reagieren sollen, sich für ihn einsetzen. Er beginnt, sich und seine Verkündigung und Gemeine zu hinterfragen. Was in seiner Gemeinde passiert, auch durch seine Verkündigung, ist eigentlich nicht das, was Jesus gemeint haben kann. Es müsste anders sein, wenn sie wirklich ihm nachfolgen.

 

Er hat eine Idee: Wir tun es wirklich: Ich selbst und gemeinsam mit der Gemeinde. Am Sonntag erzählt er der Gemeinde, was dieser Mann mit ihm gemacht hat und dass er so nicht mehr weitermachen will. Er lädt zu einem Experiment ein. Jeder nimmt in die nächste Woche für sich die Frage mit: «What would Jesus do?» In alles, was im eigenen Alltag geschieht. Jeder macht nicht einfach alles wie gewohnt. Er überlegt sich immer kurz: Was würde Jesus nun tun? Wir erzählen einander am nächsten Sonntag, was geschehen ist.

 

Ihr ahnt: Es war viel. So viel, dass es nicht nur diese Gemeinde verändert hat, sondern ihre ganze Stadt. Sie blühte sichtlich auf. Es kam zu grossen Veränderungen, auch was die übliche Korruption und andere schlechte Machenschaften betraf. Es führte auch zu wesentlichen sozialen Verbesserungen, mehr Ehrlichkeit und Wahrheit. Es war wie eine Revolution der Liebe.

 

So weit für heute. Was ist Wahrheit?

 

Die Frage ist so alt wie die Menschheit. Wir leben nicht in einer heilen Welt. Wir sind nicht nur liebe Menschen. Das Böse und die Sünde sind eine Realität. Nicht nur bei den anderen.

 

Positive Veränderungen geschehen nie, wenn wir uns selbst nur als Opfer sehen. Wir müssen aus unserer gewohnten Passivität aussteigen, aktiv dem Bösen begegnen, deutliche Zeichen gegen Lüge, Hass und Gewalt setzen. Klar sein in unserem Reden und Handeln, wo es uns begegnet.

 

Die Wahrheit ist Christus selbst. Ihm wollen wir nachfolgen, von ihm lernen. Offen und bescheiden an seinem Vorbilkd. Wichtig ist nicht das, was wir in seinem Wort nicht oder noch nicht verstehen, genug ist das, was wir bereits verstanden haben.

 

Wir können zum Beispiel diese Woche einfach sorgfältig die Losungen lesen. Sie finden sie auf dem Blatt, das sie erhalten haben. Und einfach achten, was die Worte mit Ihnen machen, wovon Sie berührt werden und wie Sie es an Ihrem Tag umsetzen können. Vielleicht machen Sie dann einfach ein Telefon oder WhatsApp an jemanden, der Ihnen in den Sinn kommt, oder ein kurzer Besuch. Das könnte schon vieles bewegen.

 

Und vielleicht, es muss jedoch niemand, vielleicht erzählen Sie uns am nächsten Sonntag etwas, was Sie erlebt haben. Es muss nichts Grosses sein, aber etwas, was Sie selbst ermutigt hat – zur Ehre Gottes.

 

 

Amen. 

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