Gespräch mit Julian Chaplinsky
Lwiw, 3. April 2024
Während meines Aufenthaltes für die Recherche meines neuen Buches über die Aquarelle von Danylo Movchan zum Krieg lädt dieser mich ein zu einer Begegnung mit seinem Freund, dem Stararchitekten und Intellektuellen Julian Chaplinsky. Ein Gespräch, das mich selbst herausfordert.
Ein PDF zum besseren Lesen und Ausdrucken findet sich am Ende des Beitrags.
Ich habe gehört, dass du unsere weltweit bekannten Schweizer Architekten kennst.
Ich mag Botta.
Wirklich?
Ja, ich kenne ihn persönlich. Er setzte sich als Architekt für die Planung einer unserer Kirche, die sich noch im Bau befindet und hielt zudem Vorlesungen an der Fakultät für Architektur unserer Universität. Aber ich kenne auch andere berühmte Architekten aus der Schweiz, etwa Patrick Thurston., der mir sehr gefällt.
Wir mögen auch Herzog/de Meuron sehr gerne, seine Elbphilharmonie, das neue Wahrzeichen von Hamburg.
Sag mir, was interessiert dich an der Ukraine?
Ich habe gestern ein Interview über dich gelesen. Es war in TV Mysto am 31. März abgedruckt. Was für ein tolles Interview. Damit wusste ich etwas mehr über dich. Was ist deine Aufgabe?
Eine Monsteraufgabe, würde ich sagen. Du meinst aus diesem Interview, als ich Stadtarchitekt bin..
Und du hattest ein Angebot aus Stuttgart gehen. Aber du bist geblieben..
Nach dem Beginn des Krieges bot mein dortiger Kollege Stefan Benisch meiner Familie eine Unterkunft an. Meine beiden Töchter verbrachten auch drei Jahre in Stuttgart, lernten dort in der Waldorfschule. Sie kamen bereits mit einigen Deutschkenntnissen und sehr aufgeschlossen zurück. Stuttgart ist für mich eine sehr coole Stadt, mit einer interessanten Kultur und Architektur. Und natürlich Mercedes und Porsche. Und du kommst aus Zürich?
Ich lebe in einer kleinen historischen Stadt zwischen Basel und Luzern. Und ich war 35 Jahre lang Pastor in der reformierten Kirche. Jetzt bin ich frei und mache Projekte mit Büchern. Das erste Buch handelte von einer depressiven Episode, die ich hatte.
Das zweite war nicht mein Buch, sondern die Erinnerungen von Myroslaw Marynowytsch, die ich auf deutsch herausgeben konnte. Ich fand die englische Übersetzung dieses Buches auf der Homepage der Ukrainischen Katholischen Universität, las es und schrieb ihm. Es ist für mich ein sehr wichtiges Buch, sehr wichtig für uns alle in dieser Zeit des Krieges. Ich schrieb auch: „Du solltest das auf Deutsch veröffentlichen“. Er schrieb zurück, ein Kollege aus meiner Studienzeit an der Technischen Universität habe es bereits übersetzt. Aber einige deutsche Freunde sagten ihm, der Text wäre nicht gut genug für die Veröffentlichung, er sollte zu einem guten Stil überarbeitet werden. Das übernahm ich dann. Letztes Jahr sahen wir uns das erste Mal persönlich an der Universität in Zürich. Es gab dort eine Veranstaltung zur Erscheinung der Übersetzung. Eine Professorin sprach mit Miroslaw und ich las aus der deutschen Übersetzung vor.
Und nun besuchte ich Miroslaw und Ljuba, auch sehr mutig Frau. Zu meiner Überraschung war Mikhail dabei, dessen Tante Ljuba ist. Seine Mutter verstarb, als er noch klein war, und dann kam er zu den beiden Marynowytsch. Jetzt hat er ein Geschäft für professionelles Marketing von Werbung im Fernsehen und anderen Medien. Er lebte in Kyjiw. Nun ist er in Lwiw mit seiner sicherer.
2017 besuchte ich das erste Mal LWIw. Damals hatte ich den Wunsch, mir eine neue Interpretation der traditionellen Kunst der Ikonen zu kaufen. Als ich in den kleinen Raum der Galerie iconArt kam, sah ich eine Ikone von Ostap Lozinsky - und die war wirklich für mich geschaffen, berührte mich völlig. Ich suchte nach ihm in Facebook. Dort fand ich auch Mateusz Sora, der jedes Jahr Ikonenkünstler zu Workshops einlädt. Letzten Freitag konnten wir in der Nähe von Basel die Ausstellung „Nowa Ikona“ eröffnen. Mateusz war mit sieben Künstlern dabei.
Ich bekam auch ein Angebot, ein neues Buch bei von ibidem press in Stuttgart zu machen. Ich dachte dann, es könnte etwas über die Aquarelle zum Krieg von Danylo Movchan sein.
Bei meinen Recherchen fand ich in deinem Blog ein brillantes Interview von dir mit ihm, das ich übersetzte, und ein Teil es Buches sein wird. Ich bitte ich um die Rechte zur Veröffentlichung.
Das ist kein Problem. Ich staune über deine Initiative und dein Interesse an der Ukraine.
Ich sah auch dein gut gemachtes Video über Yaryna und Danylo, wie sie Ikonen malen und was sie dazu sagen. Ich glaube, das war in den Bergen.
Ja. Im Vergleich zu euren Bergen sind es Hügel.
Ich las, du hättest zunächst Kunst studieren wollen.
Ich stamme aus einer Musikerfamilie. Mein Vater spielte Waldhorn in einem Sinfonieorchester. Mein älterer Bruder ist Schlagzeuger und war auch jahrelang in einem Symphonieorchester. Und meine Mutter ist Musikerin, Musikkritikerin und Musiktheoretikerin. Ja, und Pionierin.
Zunächst war der Hauptgedanke, dass ich dieses familiäre musikalische Erbe fortsetzen werde. Aber als ich 14 war, ich erinnere mich noch gut, sagte mein Vater, dass es in unserer Familie keine armen Leute geben sollte, also verbot er mir, in der Welt der Musiker professionell tätig zu sein. Aber ich spielte Bassgitarre, nur für mich, aber auf professionelle Weise.
Ich wollte dann doch Kunst studieren. Aber leider schaffte ich die Prüfungen nicht, weil es mir auf dem Weg zur Kunsthochschule schlecht wurde.
Auf dem Boden unseres Hauses stand eine Skulptur von unserem Nachbarn. Er riet meinem Vater, dass es keine gute Lösung wäre, aus seinem Sohn einen Architekten zu machen. Wenn er Künstler werden will, ist das in Ordnung.
Das ist ein eher praktischer Beruf. Ja?
So ist es. Ich bin also mehr oder weniger spontan auf die Polytechnische Universität gegangen und Architekt geworden. Ich mag es, zu zeichnen und Skizzen über die Stadtentwicklung zu machen. Diese künstlerischen Fähigkeiten sind also immer noch in meinen Händen. Aber ich vermute, dass die Musik mehr meine Fähigkeit ist. Sie ist eher meine persönliche und emotionale Basisfähigkeit.
Wenn ich Freizeit habe, spiele ich lieber Musik, spiele Bassgitarre und höre Musik. Und nicht, um Skizzen zu machen.
In einer Band?
Nein, ich spiele Musik nur persönlich. Manchmal spiele ich Stücke mit anderen. Dann tauchte bei mir der Gedanken auf, ich könnte Pleinairs für meine Freunde organisieren. Schliesslich haben wir haben ein Landhaus in Sanko. Als ein Freund mein Haus in den Bergen besuchte, sagte er, es sei der perfekte Ort, um Pleinairs für Künstler zu organisieren.
Also lass es uns tun! So organisierten im Ganzen siebenmal Pleinairs für Kunstschaffende, die meisten malen. Hier im Büro siehst einige Resultate davon. Es war eine fantastische Zusammenarbeit. Wenn du erleben kannst, wie was sie denken und wie sie arbeiten, jeder auf seine besondere Art, mit anderen Absichten, ist das sehr, sehr interessant, und willst du siehst immer wieder sehen. Schliesslich verkaufte ich mein Haus. Inzwischen kaufte ich mir aber ein Haus hier in der Nähe, zwar ohne Berge, aber auch gut. Ich plane, dort einen Pavillon in der Nähe des Waldes zu bauen, wo ich wieder verschiedene Gäste und Kunstschaffen einladen kann, damit wir unsere Pleinairs fortsetzen konnen.
Und was was planst du?
Ich lernte Danylo über Facebook kennen, wo ich seine Werke sehen können, die mich sehr mich beeindruckten. Ich schrieb ihm, dass ich etwas von ihm kaufen möchte. So entwickelte sich allmählich Freundschaft. Offenbar kann Facebook auf Gutes auslösen, nicht nur viele Fakes und unnötige Dinge.
Die Stimmung im Westen
Sag mir doch, wie bei euch in der Schweiz die Stimmung unter ganz normalen Menschen ist, nicht nur unter den Politikern? Was denken die Schweizer über unseren Krieg? Beschäftigt es sie? Wird dieser Frage genug Aufmerksamkeit geschenkt , oder eigentlich nicht?
Selbst war ich schon wohl sechs Mal in der Schweiz. Deshalb weiss ich, wie es bei euch aussieht: gute Kultur, Stabilität und Ordnung, grosses Interesse an ökologischen Fragen. Das alles dürfte für euch wohl wichtiger sein als irgendein Krieg neuer Krieg in Afrika. Das ist aber nur meine Vorstellung, keine fundierte Recherche. Und vielleicht kannst du mir auch sagen, welche Haltung eure Regierung vertritt.
Sie ist bereit, unsere Chance als neutrales Land für eine internationale Konferenz zu nutzen, mit dem Ziel einer Lösung für die Ukraine. Als erster Schritt sollen die Bedingungen Friedensverhandlungen mit Russland geklärt werden. Frieden ist aber ein zu großes Wort für die momentane Situation. Ich denke, es ist realistischer, aber auch schwierige, sich auf gemeinsame Vorstellungen aller teilnehmender Staaten zu einigen, was Russland betrifft. diskutieren. Du kannst noch nicht mit Russland zu verhandeln beginnen, du kannst Russland grundsätzlich auch nicht trauen. Sie der Ukraine die Krim und den Donbass, und nun eroberten sie sich die südöstlichen Gebiete. Es wird ein sehr schwerer Weg werden. Auch darüber wird in unseren Medien gesprochen. Die Mehrheit in unserer Bevölkerung ist sich aber nach wie vor einig, dass wir alles tun sollten, was möglich ist, damit die Ukraine ein fester Teil Europas wird.
Die Gefährdung der liberalen Demokratie mit ihren religiösen Wurzeln
Das hoffe ich. Gegenwärtig besuche ich ein MBA-Angebot an der Ukrainischen Katholischen Universität, wo wir einen sehr berühmten Professor, den Historiker Mykhalo Hrushevskyi haben. Wir lesen mit ihm die berühmtesten Bücher der Menschheit.
Also Plato, Aristoteles usw., das letzte von John Locke, dem Vordenker des Liberalismus, und seiner Theorie über dien gute Struktur eines Staates, die Idee der Freiht. Alle diese Werke sind für mich gerade in unserer Situation des Krieges zu „Denkmälern“ der Idee einer liberalen Demokratie geworden. Was diese Leute sagten, ist für uns heute sehr wichtig. Als dieJungs dieser Bewegung , die sich auf eine liberale Demokratie beriefen, brachten Europa wirklich voran, und die USA in die Unabhängigkeit. Es führte zu einer große Bewegung, in der es darum ging, alle diese Widersprüche in Europa auf eine friedliche Art zu lösen. John Locke sagte auch: „Es gibt etwas, woran wir uns gerade in diesem Moment erinnern sollten. Sie ist die Religion.“ Locke wurde uns auch zu einem Priester, denn er sagte uns auch, dass wir das Fundament des Glaubens an Gott brauchen. Aber die heutige liberale Demokratie hat sich von Gott gelöst, deren Folgen wir heute erleben.
Was danach geschehen ist, werden wir sehen. Ich sehe aber bereits seine Folgen, diesen gefährlichen Kult unseres Egos, die die Stabilität gefährdet, wenn einige etwa sagen: „Es ist nicht unser Krieg, was geht uns das an. Wir verstehen zwar alle, dass der Weg Putins nicht richtig ist. Er ist schlecht, da er gegen unsere Werte gerichtet ist. Warum müssen für die liberale Demokratie kämpfen?“ So Reagans Zeiten war es noch normal, zu den Sowjets zu gehen und von ihnen eine echte Demokratie, Freiheit und Menschenrechten einzufordern.
Der DemokrateKennedy war katholisch, Reagan war, so glaube ich, protestantisch. Was der Protestantismus in Skandinavien bewirkt hat, sehen wir noch heute gut. Deshalb fürchte ich, dass wir alle diese diese Aktivitäten der Regime im Iran, China und Russland, in denen es um ihre Hegemonie geht und die westliche Welt gefährden, zu wenig ernst sehen. Alle diese Regime leben immer noch in der Vorstellung einer Herrschaft und Religion wie vor der Aufklärung im 19. Jahrhundert. Das entspricht nicht einer zeitgemässen Sicht auf Gott, und ist vielleicht der erste Grund für die Gefährlichkeit der gegenwärtigen Weltlage. .
Meiner Meinung wird durch diesen Krieg eine neue Ideologie geboren, die über uns herrschen wird. Denn die westliche Welt weiss nicht mehr, was die Fundamente ihrer liberalen Demokratie sind. Was ich hier meine, war diesen Leuten im 18. Jahrhundert völlig klar. So war Isaac Newton ein sehr frommer Mensch. John Locke ebenso. Sie alle glaubten an Gott. Sie hatten ein starkes ethisches Fundament in ihrer Verwurzelung im katholischen oder evangelischen Glauben.
So wollten beide, Kennedy und Reagan, keinen dritten Weltkrieg. Kennedy war katholisch, Reagan Protestant. Reagan sah die katastrophalen Auswirkungen des Krieges in Vietnam, an dem sich die USA beteiligten. Damit konnte er keine Wähler gewissen. Zuvor wurde immer gesagt, was übertrieben war, die Kommunisten hätten die Absicht, alle Amerikaner und auch alle anderen im Westen zu vernichten. Eigentlich wünschte sich keiner diesen Krieg, aber alle wussten, dass es letztlich so kommt. Als alle dann die Folgen des Krieges sahen, unzählige Toten, all das vergossene Blut, waren plötzlich alle gegen den Krieg. kamen, unglaublich viel vergossenes Blut,
Reagan sah das und wollte nicht mehr denselben Fehler machen. Deshalb wählte er den Vatikan als Verhandlungspartner und den polnischen Papst Johannes Paul II., damit eine gemeinsame Lösung gefunden werden kann..
Sie sagten also: „Okay, lasst uns Frieden schließen.“ Heute sehen wir aber, dass die katholische Kirche keine wirklich Bedeutung mehr hat. Damals hatte die Kirche eine Chance.
Diesen Verlust der Bedeutung der Kirche erlebte ich in meiner Zeit als Gemeindepfarrer auch. Zu Beginn hatte ich das Gefühl, die Kirche wäre noch in der Mitte in unserer Gesellschaft. Doch mehr und mehr wendete sich das Blut. Heute könnte ich nicht mehr sagen, dass die Kirche in eine bedeutende Rolle spielt. Sie steht höchtens am Rand unserer Gesellschaft. Und ich sehe bereits die ersten Anzeigen, dass ihr ein rauer Wind entgegenweht.
Für heute intellektuelle Menschen ist das Christentum etwas, das sie mehr oder heftig ablehnen. Das ist völlig verständlich nur schon im Blick auf die unzähligen Skandale in den Kirchen, vor allem was sexuelle Verfehlungen betrifft. Etwas weniger auf der protestantischen Seite. Unsere jahrhundertlange gewohnte Verbindung von Kirche und Staat bricht nun zusammen. Die Leute treten immer mehr aus den Kirchen aus. Gegenwärtig sind in der Schweiz immer noch etwas mehr als die Hälfte in einer Kirche. Die Mehrheit davon hat keine wirkliche Beziehung zum christlichen Glauben, und noch weniger zur Kirche. In wenigen Jahren wird es nur noch eine Minderheit geben, die sich zu einer Kirche irgendwie bekennt. Bereits jetzt hat sich unsere Gesellschaft vom Christentum verabschiedet. Es gibt keine gemeinsame Wertebasis mehr. Sogar die Bedeutung der Menschenrechte wird zunehmend, vor allem in rechten Kreisen, bestritten.
Die Spaltung der westlichen Gesellschaft
Unsere schweizerische Gesellschaft ist immer mehr in zwei politische Flügel getrennt. Auf der linken Seite sehe mehr die gut Gebildeten, Intellektuelle, Weltoffene, viele die gut situiert sind mit entsprechenden höheren Einkommen. Unter ihnen verbreitet sich immer mehr eine ideologisch geprägte Haltung. Stichworte dazu sind: Gender, Entkolonialisierung, Klimaangst, Kampf gegen Homophobie und Islamophobie, political correctness, Agnostizismus, oder wenn spirituell offen, dann für Angebote östlicher Religionen. Es gibt auf dieser Seite gewisse Werte, die andere aber überfordern, so nicht teilen können oder sogar heftig ablehnen und bekämpfen.
Diese zunehmend linken extremen Tendenzen sehe ich in Protesten Studierender an der Uni Zürich. Sie solidarisieren sich mit Palästina, verurteilen die Selbstverteidigung Israel, manche sind unbewusst sogar antisemitisch. Der äusserst gewaltige Überfall der Hamas, der zum Krieg führte, wird kaum erwähnt und noch weniger verurteilt, oder sogar als verständlich erklärt.
Was die linke Seite betrifft, sehe ich durchaus Verständnis für den Willen der Ukraine, von Russland unabhängig zu sein und sich für den Westen zu entscheiden. Doch es fällt ihnen schwer, die Tatsache zu akzeptieren, dass die Ukraine dazu Waffen braucht, sie sonst keine Chance hat. Also müsste die Linke einen Teil ihrer Ideologie opfern, ihr Ideal einer Gesellschaft, die auf eine Armee verzichtet.
Ich beobachte genau das, was eine Zeitung bei uns schrieb:
Es gibt drei klare rote Linien in einer Demokratie, die Entmenschlichung fördern und indirekt zu Gewalt anstiften können: 1. Andere Menschen für alle gesellschaftlichen Probleme verantwortlich machen und suggerieren, dass alles in Ordnung wäre, wenn es die Gruppe X nicht gäbe. 2. Andersdenkende als Feinde zu diffamieren, anstatt sie als politische Gegner und Verhandlungspartner mit legitimen Interessen zu sehen. 3. demokratische Auseinandersetzungen zu einer Schlacht zu stilisieren.
Nun die rechte Seite, die immer stärker geworden ist und sich ebenso ideologisch radikalisiert und unter dem Einfluss von Trump steht. Sie sieht die Ukraine als völlig korruptes Land, glaubt teilweisen bösen Verschwörungstheorien, pflegt einen heftigen Antiamerikanismus, ebenso die Ablehnung der EU. Und bekämpft auch vernünftige Lösungen in der Asylfrage, ökologischen Fragen etc. Vor allem während der Zeit der Corona-Krise übernahm sie verschwörungstheoretische Ansätze, sprach von Corona-Diktatur. Überhaupt wird unserer Regierung nur noch misstraut, ebenso den Medien. Viele lesen, sehen oder hören sie nicht mehr, sprechen von „Lügenmedien“, die uns die Wahrheit verschweigen, orientieren sich an „Alternativmedien“, die uns die unterdrückte Wahrheit sagen. Und zunehmend vielen erscheint Putin als wirkliche Alternative, und sein Russland beinahe als Paradies. Gegen eine Unterstützung der Ukraine wird gehetzt, sie diene nur, damit die USA ihre Waffenindustrie fördern kann, Selenskj wär ein Hampelmann von Biden und der EU, eh nur ein Clown, absolut inkompetent und opfere dafür erst noch seine Leute und erzeuge unzählige Tote, sei mehrfacher Milliardär, völlig korrupt, nur dumm. Und eigentlich wären die USA hauptverantwortlich für den Krieg, sie hätten Putin dazu gezwungen. Der Konflikt im Donbas sei ein Bürgerkrieg, alles Russische wäre ihnen verboten worden usw.. Und eh sei die Ukraine ein Teil von Russland.
Das alles lese ich in unzähligen Kommentaren in der „Weltwoche“, der seit Beginn offen Putin unterstützt, und zuvor schon lange Interview für den russischen Propagandasender rt deutsch gab, in den russischen Medien sich bejubeln lässt als einer der wenigen, die Russland unterstützen. - Leider erlebe ich auch durchaus gläubige Christen, die in Putin Gutes sehen in seiner Haltung zu Homosexualität, seiner (angeblichen Unterstützung) der Familie, Widerstand gegen Abtreibung und Einsatz für den christlichen Glauben mit einem nationalistischen Charakter. Alle diese unglaublichen Menschenrechtsverletzungen, die ständige Beinflussung der russischen Bevölkerung durch die Lügen der Propaganda, kriminelles Vorgehen gegen Oppositionelle, der Verlust von Meinungsfreiheit, werden nicht erkannt oder verschwiegen. Oder verharmlost.
Ich kenne die sowjetisch-verlogene Wirklichkeit, die Myroslaw erlebte und in seinem Einsatz für die Menschenrechte zur Verhaftung und Bestrafung mit 7 Jahren Straflager und 5 Jahren Verbannung führte. Im Schlussteil seiner Memoiren zeigt er sein Vision für eine freie Zukunft: als Voraussetzung die dringende Aufarbeitung der kriminellen Geschichte Russland, die anschliessende Reue und Vergebung, danach die Möglichkeit der Vergebung durch die Opfer. Ebenso klar sieht er die Schwächen in der Ukraine, eine ethische Verwahrlosung als Schaden der Sowjetzeit, die zu Unehrlichkeit und korrupten Verhalten geführt hat. Damit die zerstrittene Gesellschaft der Ukraine sich einigen kann, braucht es gute gemeinsame Werte auf den Grundlagen des christlichen Glaubens. Seine Hoffnung liebt in der jungen Generation der Ukraine: ihrem Wunsch zum Aufbruch nach Westen und damit einem Leben in Freiheit.
Wie wird der Krieg enden?
Wir sind beide keine Propheten, was in den nächsten Monaten, Jahren geschieht. Was denkst du? Siehst du ein Ende des Krieges?
Nein. Aus unserer Sicht verstehen wir, dass Putin keine Verhandlungen will. Er ist nicht an einem friedlichen Ergebnis interessiert. Es geht also nicht nur um den Donbass oder die Krim. Er will die ganze Welt beeinflussen. Er ist ein neuer Weltpolitiker. Er ist absolut süchtig von seiner Vorstellung, er müsste das russische Reich des 19. Jahrhunderts wiederaufrichten..
Dabei hilft ihm sein Freund Kyrill, Patriarch der russisch-orthodoxen Staatskirche. Was er in seinen Predigten und Dokumenten über den Westen und den Krieg verbreitet, ist für mich nur kriminell, ein heiliger Krieg gegen den Westen und die NATO. Zudem verspricht der den gefallenen Soldaten Sündenvergebung und das Paradies. Und rechtfertigt den regelrechten Völkermord an den Ukrainern. Putin ist auch absolut verrückt von seiner Vorstellung, es gäbe keine Ukrainer. Er will die Regierung in Kyjiw stürzen und die Ukraine wieder zu einem Teil seines russischen Imperiums machen. Für mich ist der gegenwärtige Krieg nur ein erster Schritt. Sein nächster Schritt wir die Rückführung sämtlicher Staaten zu Russland sein, die früher hinter dem eisern Vorhang lebten: Polen, Rumänien, Bulgarien, Tschechien etc. inklusive dem Bereich des früheren Jugoslawien, besonders Serbien.
Einst starb in der Schweiz Iwan Iljin, ein nationalistischer russischer Philosoph, begraben in der Nähe von Zürich. Putin ließ seine Knochen für ein neues Grab in Moskau bringen und verehrt ihn völlig. Dugin ist ein anderer dieser „Philsosophen“, nicht gefährlicher als Iljin, ein Faschist, der gegen den Westen hetzt und gut vernetzt ist mit der ultrarechten Szene im Westen.
Er ist absolut dieses typische Produkt der russischen Propaganda. In Russland können sie jeden als Philosophen bezeichnen, der in ihr Schema passt. Er ist das Produkt des KGB in den frühen Neunzigern und war schon immer in diesen russischen faschistischen Bewegungen. Eigentlich müsste in Russland sehr seltsam erscheinen. Dieser Faschismus steht der russischen kommunistischen Partei sehr nahe. Wir müssen wirklich sagen, dass diese absolut ist, auch wenn die den Kommunismus als wissenschaftlich bezeichnet. Es geht ihr nur um Russland. Sie ist eine Welt voller Widersprüche.
Heute sagen sie von sich, sie wären Christen, die heiligsten Christen auf diesem Planeten, sie würden nun auch Christus glauben. Und gleichzeitig sagen sie: „Stalin war eigentlich sehr gut.“ Stalin liess aber unzählige Tausende von Priestern. . Und heute behaupten sie solche Dinge, bekennen sich angeblich zu Christus, und verehren gleichzeitig Stalin. Und die russisch-orthodoxe Kirche kollaboriert mit dem allen. Ein normaler Mensch versteht dies wirklich nicht, selbst nur ein bisschen, und schon gar nicht in diesem schrecklichen Ausmass.
Und wenn du normale Russen fragen würdest, wer zur NATO gehöre, würden sie dir sagen: Natürlich die USA. Und das war's schon. Wissen sie überhaut, was die in NATO ist? Was das eigentlich, wovon wir alle reden? Also wiederholen sie immer nur die Informationen aus ihrem Fernsehen. In Deutschland sehen wir gerade diese Missgeburt einer ganz neuen Bewegung, die wie eine ganz heisse Suppe dieser Ideologie aussieht. Und wir sehen immer noch die alte antikapitalistisch Bewegung, die immer noch glaubt: „Wir müssen den Kapitalismus völlig abschaffen.“
Immer noch dieselben veralteten Leute. Bei uns gibt es den Antiamerikanismus als eine religiöse Erscheinung. Es gibt nicht mehr eine westliche Welt, die sich in ihrer Ausrichtung und Werten einig ist.
Ja. Vielleicht gibt es doch gewisse Unterschiede in Europa. Vor allem in Skandinavien, die Hälfte von Deutschland, und ebenso Grossbritannien. Europa mit einer protestantischen Prägung. Sonst kannst du nur sehen, wie einig sich die Welt ist. Mit denen können wir uns nicht einmal ansatzweise irgendwie verbinden. Wenn du Großbritannien und die Niederlande nimmst, ist das etwas völlig anderes. Wenn du in den Süden gehst, nach Italien oder Spanien, dann ist Italien... Wenn ich mit Italienern spreche, befriedigt es mich nicht. Sie sind für mich wie die Welt ihrer Architekten und Designer. Es erschien mir, dieses Land hat seine Rolle als Stifter der leitenden Philosophie Europa komplett verloren. Ja, völlig. Es geht dort nur noch um Möbel, Taschen, Mode, Mailand, und dass in Moskau wieder neue Läden mit ihren sündhaft teuren Produkten eröffnet werden können.
Und um gutes Essen, Lebensfreude, südliche Atmosphäre, die wir alle geniessen.
Das ist also die wahre Philosophie heute in Italien. In den nördlichen Ländern, etwa Dänemark mit Kopenhagen und Dänemark denkt man aber auch über den Klimawandel nach. Sie versuchen, neue ökologische Technologien zu entwickeln. Und denken darüber nach, wie sie andere in ihre Pläne zur Rettung des Planeten einbeziehen können. Du lebst auch in einem Land, das dies ernst nimmt. Das sind also heute. Für mich sieht es so aus, dass wir gegenwärtig noch schlechter dastehen als noch vor zwei Jahren.
Warum?
Ich sehe keine Begeisterung mehr, uns zu helfen. Auch wenn irgendwo hinter den Kulissen wohl einige Verhandlungen laufen, von denen wir nichts wissen. Es ist so anstrengend, das alles zu verstehen, dass wir keinen Einfluss haben. Völlig ohnmächtig in unserer Situation. Was geschieht, wenn Russland nun wieder viel mehr Waffen hat und so seine Stärke erhöhen konnte? Sie haben neue Raketen und Panzer gebaut. Sie haben immer noch so viel Geld, das Geld aus ihrem Öl und Gas. Und wir haben nichts. Also versuchen wir, andere zu bitten, uns einige ihrer Waffen zu geben, nur um irgendwie uns an der Front halten zu können. Wir wagen gar nicht zu sagen, dass sie, bitte sehr, unser Gebiet ganz zurückgeben sollen, um unsere Seele zu retten. In den USA sagen sie: „Oh nein, nein, nein, weisst du, wir können nicht. Wir müssen uns selbst verteidigen, gegen alle diese Leute aus Lateinamerika, die uns überfluten wollen?“ Diese Worte, die ich auch aus Europa höre, bedeuten für mich eigentlich nur neue Investitionen in die eigene Armeen.
Auch unsere Schweizer Armee investiert nun wieder mehr in die Armee. Ich glaube, in allen europäischen Ländern ist das überall ein Thema. Deutschland und Frankreich haben bereits damit begonnen.
Ich erinnere mich auch noch, was Macron, Frankreichs Präsident in den ersten Kriegsmonaten. Er war es leid, immer wieder das Gespräch mit Putin zu suchen, verbrachte unzählige Stunden damit, völlig ohne Erfolg. Nur leere Gespräche ohne jeden Sinn. Er glaubte, es sei sinnvoll, wenn er immer wieder nach Moskau geht und ihm sagt: „Lasst uns das auf friedliche Weise regeln. Okay, nehmt die Krim, lasst uns normal sein. Und jetzt sagt er: „Wir denken, dass wir vielleicht unsere Soldaten in die Ukraine bringen. Vielleicht, ja. Nun sind es bereits zwei Jahre, zwei Jahre, ungefähr 200 000 Ukrainer starben schon in diesem Krieg. Zwei Jahre. Wie viele Tote müssen wir also in der Ukraine noch haben?
Wann werden französische Soldaten oder NATO-Soldaten kommen, um uns zu retten? Doch Scholz sagt uns immer wieder dasselbe: „Keine deutschen Raketen in der Ukraine! Wir wollen nicht einseitig Partei beziehen, uns auch zum Schauplatz dieses Krieges machen.“ Aber du hast uns doch unterstützt, also steht du auf der einen Seite. Für Putin ist es ein gutes Zeichen, dass sie nichts tun werden. Es gibt Parteien in Deutschland, die gegen uns sind, da mache ich mir keine Illusionen. Europa wird kommen und uns ein paar Soldaten zur Verfügung stellen. Aber die Themen dieser Diskussionen sind so unerwartet und schwierig. Für mich ist das das Schlimmste. Wir haben so sehr an die europäische Werte geglaubt, die nun im Boden liegen.
Der Kampf und die Verzweiflung der Ukraine
In der Ukraine haben wir so sehr für unsere Wahl zu Europas gekämpft. Ja. Wir wählten den Weg der liberalen Demokratie und den Weg nach Europa, in die Familie der europäischen Nationen. Das war unsere eigenständige, ganz natürliche Entscheidung, unsere Wahl. Aber in Wirklichkeit ist es so, dass die Ukraine vielleicht einmal in der Europäischen Union sein wird, vielleicht auch nicht. Vielleicht wird die Ukraine in der NATO sein, vielleicht auch nicht. Es ist ein kniffliges Spiel, weißt du? Und Europa versteht das nicht.
Wenn wir uns vorstellen, dass Putin die Ukraine in fünf, sieben Jahren komplett erobert hat, werden die Ukrainer Soldaten in der russischen Armee sein, die Polen und die baltischen Länder erobern. Und das ist absolut real, denn das gab es schon in der Geschichte, als Ukrainer im Ersten Weltkrieg in der russischen Armee waren und polnische Menschen getötet haben. Und auch im Zweiten Weltkrieg war es nicht anders. Die Ukrainer waren ein Teil der russischen oder sowjetischen Armee.
Doch Finnland erinnerte sich an den Krieg gegen sie. Sie erinnern sich an alles. Sie verstehen die baltischen Länder. Sie wissen, dass, wenn sie die Ukraine jetzt nicht unterstützen, sie morgen die gleiche Perspektive für ihre Nation haben werden.
Es wird nicht schon morgen sein, aber vielleicht in 10, 12 oder 20 Jahren. Okay, ich bin schon alt. Aber für die Menschen, die sich heute schon damit befassen, verstehen die Perspektive von morgen.
Und in 20 Jahren werden wir nicht mehr bereit sein, mit den heutigen Technologien Krieg zu führen. Also, was ist dieser Krieg? Es ist ein Krieg der Drohnen, ein Krieg der Raketen, ein Krieg der künstlichen Intelligenz.
Die dich tötende Kugel ist bereits intelligent. Sie ist nicht nur ein Stück Stahl, sie ist bereits schon morgen mit künstlicher Intelligenz billiger. Sie wird dir zwischen die Augen kommen, wenn jemand das will, weißt du, also ist das für mich wie eine Blutjagd. Ich verstehe also, wenn ich sehe, der Krieg in der Ukraine heute geführt wird, die NATO zum Beispiel hat noch keine Drohnen. Drohnen werden heute bei uns sehr effektiv im Krieg eingesetzt. Und wir setzen sie in unzähligen unterirdischen Kellergeschoss oder Küchen selbst zusammen, aber die NATO kennt nicht einmal einen Standard für diese fpv-Drohnen. Und sie sind immer nach dran, sich überlegen, ob KI im Krieg etwas bringt. Panzer bringen heute nicht mehr wirklich etwas. Es bringt dir gar nicht, wenn du Panzer zerstörst. Aber wenn du Drohen einsetzt, kannst du sorgar Panzer komplett zerstören, oder wenigstens stoppen. Und der Feind ist erledigt. Wir sehen die guten Ergebnisse des amerikanischen Patriot-Systems. Es ist also eine sehr erfolgreiche Technologie. Unsere Technologie aus den Sechzigern oder siebziger Jahren ist immer noch gut, sie wurde zwar aufgerüstet, aber sie ist immer noch ziemlich gut.
Aber die Art des Krieges hat sich geändert, und wir haben einen digitalen Krieg, einen Informationskrieg. Im Zweiten Weltkrieg konnte Hitler wegen der deutschen Sprache keinen Einfluss auf die slowenischen Nationen nehmen.
Und jetzt sagst du einfach deinem Handy: „Übersetze mich“. Das Problem sind die neuen Medien. So oft höre ich, dass du nicht weißt, was wahr ist, was die Medien zeigen. Meine Tochter ist Journalistin. So viele behaupten, unseren Medien könne man nicht glauben. Ich kann das nicht mehr hören, weil ich überzeugt bin, dass die meisten Journalisten ernsthaft und hart arbeiten.
Ja, absolut. Wir haben also keine ethischen Grenzen für die Herausforderungen der künstlichen Intelligenz. Keine Regierung in der Europäischen Union hat bereits eine klare Vorstellung, wie wir damit in unserer Gesellschaft umgehen sollten. Vielleicht müssen wir uns doch damit auseinandersetzen, wo die roten Linien liegen.
Andere benutzen KI schon längst: „Bitte mach mir ein Video, wo Selenskj sagt: „Wir bringen euch alle um!“ Es geht viral, und unzählige Leute, nicht nur alte Frauem von Land, glauben wirklich, dass Selenskj dies gesagt hat, es kein gefälschter Selenskj war, sondern etwas die der verrückte Trump. Trump kann ja alles sagen, und die Leute glauben ihm. Er sagt sich: Sagen den Leuten das, was sie hören wollen.
Die Verlogenheit der Ideologie von Trump
Wenn du ein frommer evangelikaler Christ bist und es ihm am Telefon mitteilen könntest, würde Trump dir sagen: „Ich bin auch ein wiedergeborener Christ. Ich glaube an deinen Gott.“ Und mir würde er sagen: „Mann, du bist Ukrainer. Ich mag Ukrainer. Wähle mich.“ Zu Leuten aus Lateinamerika: „Ihr seid das Zentrum des Planeten Erde.“ Und das war's.
Er weiss, wem die Medien gehören, die seine Botschaften verbreiten, durch die er die Wahlen gewinnt. Und wir haben Angst vor dem Affen mit seinen Atombomben. Heute brauchst du hat keine Atomwaffen mehr. Du kannst mit künstlicher Intelligenz in den sozialen Medien provozieren und Millionen Menschen darauf vorbereiten, das Kapitol in Washington DC niederzubrennen.
Ja, mit der heutigen Möglichkeiten der Propaganda brauchst du gar keine Atomwaffen. Was Trump macht, sehe ich auf seiner Seite auf Instagram. Dort siehst du, wie es wirklich ist. Es schockiert mich völlig, wie primitiv dort die Bilder sind. Ja. Das ist also heute das Niveau der europäischen Kultur. Und es gab dafür schon 400 Tausend Likes. Es ist absolut ohne jede Ethik, ein Niveau völlig ohne jede Hemmung. Trump weiss, dass er völlig abhängig bin von Leuten, die die Medien beherrschen, ihn wählen wollen und nicht wissen, was sie damit tun.
Ich denke, für viele Leute ist es eine interessante Show, und sie mögen diesen Showman. Wer Präsident sein will, sollte doch eine seriöse Persönlichkeit sein. Vieles hängt in diesen Jahren von den Wahlen in den USA. Aber die Spaltung der Gesellschaft durch Trump ist nicht nur in den USA eine Realität. Wir leben in einer gar nicht guten Zeit. Vielleicht gab es auch nie eine wirklich gute Zeit.
Ich sehe da keine Hoffnung. Wir müssen einfach leben, wie es nicht. So, wie es Martin Luther sagte: „Wenn du weißt, dass Morgen die Welt untergeht, gehe und pflanze noch heute einen Baum.“ Wenn du deine Hoffnung aufgibst, kannst du bereits jetzt in den Sarg gehen. Viele wollen sich lieber nicht mit unserer Wirklichkeit beschäftigen, nicht nur junge Leute. Tun, was ich will, Partys, Spass, schöner wohnen, Urlaub in einem Resort. Lieber nicht nachdenken.
Wird es uns wie den Juden ergehen?
Ich wollte dich etwas über Carl Gustaf Jung fragen, dem Psychologen. Er lebte doch in Zürich. War sein Vater ein protestantischer Pfarrer?
(Im Gespräch wusste ich es nicht. Es trifft aber zu. Ich glaubte, er war Jude. Sigmund Freud war Jude.)
Jung sagte, dass Mensch wäre unheilbar religiös.
Jetzt lese ich gerade ein Buch über Selenskj: „The Showman“ von Simon Shuster, mit einem Vorwort von Anne Applebaum. Es ist sehr interessant, ein tiefer Einblick. Und wie er sich in dem Moment, als der Krieg ausbrach, veränderte.
Nein, ich wollte dich noch etwas anderes fragen. Was denkst du aus deiner Perspektive und deiner europäischen Erfahrung, wie sich die Ukraine auf Europa auswirken werden? Es leben ja bereits mehr oder weniger 5 Millionen Ukrainer in Europa. Ja, und das ist noch nicht das Ende. Ich denke, es werden zuletzt mehr als 5 Millionen sein.
Wir können zuletzt sogar wie Juden enden. Als Nation ohne Staat. Das ist durchaus ein realistisches Szenario. Können wir irgendwie einen guten Einflus auf Europa haben? Du kennst ja die Ansichten von Myroslaw Marynowytsch, einen anderen Ukrainer. Was sind also die mentalen oder psychologischen Aspekte, die für Europa wichtig sind?
Wie siehst du aus dem Westen die Chancen der Ukraine?
Ich habe gelesen, was du im dem Interview über das Silicon Valley gesagt hast. Dort gibt es Menge dieser IT-Hipster. Die gibt es auch in der Ukraine. Nutzen wir sie.
Zudem sollten wir viele Dinge, die heute in China oder Indien hergestellt werden, wieder in Europa produzieren, damit wir unabhängiger sind von weltweiten Entwicklungen.
Interessant ist auch, was die Ukraine uns in der Kunst zu bitten hat. Ich besuchte eine Ausstellung über die moderne Kunst der Ukraine aus der Sowjetzeit bis in die Gegenwart. Das war höchst interessant und auf höchstem Niveau. Das müsste bei uns gezeigt werden. Eine Kunst, die in schwierigen Zeiten entsteht, sogar unterdrückt wurde, ist tiefer und relevanter als das, was in einer Gesellschaft entsteht, die vom Wohlstand übersättigt ist. Unsere Kunst erlebe ich als viel weniger wirklich relevant.
Selenskj hat uns auch ein anderes Bild über die Ukrainer gegeben. Ein anderes Gesicht, als uns bewusst war ohne wirkliche Kenntnisse über die Geschichte und die Menschen in der Ukraine. Es gibt bei euch so viele interessante, begabte und mutige Menschen. Die jungen Leute in der Ukraine sind schon längst Europäer. Zeigt uns, was ihr könnt. Versteckt euch nicht, überrascht uns. Gerade jetzt, wo die Leute sich bei uns für euch interessieren. Tut es wie im Sport. Gebt eurer Bestes, übertrefft uns. In Basel waren viele Leute überrascht vom hohen Niveau und der Vielfalt der neuen Art der Ikonenkunst aus der Ukraine. Wo gibt es sonst so viele junge Leute, die neue Sakralkunst aus Überzeugung und professionell machen?
Ich sah bei euch auch einige Läden wie „made in Ukraina“ mit sehr attraktiven Produkten, hoher Qualität, ansprechendem Design. Warum nicht eine Ladenkette bei uns eröffnen? Die Leute würden das kaufen, es muss nicht immer dänisches Design sein. Und aus China sowieso nicht.
Ja, ja, ich weiß, wie das aus China ist. Wir wissen es, wenn ich meine meine Manschetten abnehme, was kommt bei mir sonst nicht aus Asien? Als Polen Mitglied der EU wurde, wie wirkte sich das aus? Wurde Polen positiv wahrgenommen? Hat sich damit etwas verändert? Die Polen waren ja später enttäuscht, wendeten sich aber, aber nun wieder Europa zu. Was ist deine Meinung?
Polen
Die alte Regierung war ein sehr nationalistisches Polen, so, wie sich manche Nationalisten bei uns die Schweiz vorstellen. Polen ist für mich ein sehr interessantes Land, aber auch gespaltenes Land. Es gibt aber auch, nicht nur, diesen sehr konservativen nationalistischen Katholizismus, den ich für ein Problem halte. Polen hat uns der Kunst viel zu zeigen. Davon war ich kürzlich in Krakau sehr beeindruckt.
Für mich, für uns Ukrainer ist dieses ultrakonservative Polen wie die andere Seite desselben Spiegels, weil das Land so sehr wie Russland auf dieses nationalistische Christentum konzentriert sind. Ich habe viele dumme Dinge von ihren Politikern gehört, wie zum Beispiel: Unsere Aufgabe ist es, Europa zum Christentum zurückzuführen, und nur die Polen können das tun. Oder ihr nationales Trauma ist immer noch sehr aktiv, und sie nutzen dies in der Innenpolitik in Polen, die uns nicht gefällt. Ich verstehe durchaus den Hintergrund, da Polen im Laufe der Geschichte so oft gespalten wurde, genau wie die Ukraine. Polen und die Ukraine sind nun auf der Landkarte der Welt wieder vorhanden, nachdem sie so oft von den Russen, Deutschen und Österreichern beherrscht worden war. Es ist eine sehr schwierige Geschichte. Aus diesem Grund erinnern sich die Ukrainer und die Polen wieder an diese Zeit, empfinden den Schwerz und befürchten, dass sich das alles wiederholen könnte. Sie möchten es aber den Russen zeigen, dass beide wirklich eine Nation sind, eine einige Nation. Aus der Sicht der anderen Länder Europas, die das nicht erlebt haben, ist dies schwer zu verstehen? Was heisst das für euch?
Das Verständnis der Schweiz für die Ukraine
Als Schweizer verstehen wir diesen Willen nach Unabhängigkeit, einer freien Nation, die sich vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation getrennt hat, sich die Freiheit eroberte, obwohl sie noch lange offiziell zu diesem Reich gehörte.
Unsere Identität liegt in der Einheit, dass sämtliche bei uns vorhanden Sprachgruppen dasselbe von dem sagen, wohin sie gehören könnten. Als Deutschschweizer sage ich: Ich bin kein Deutscher. Als Westschweizer: Ich in kein Franzose. Als Südschweizer: Ich bin kein Italiener. Wir alle sind Schweizer, obwohl wir uns gegenseitig oft wenig kennen und einander sogar fremd sind.
Die Schweiz kann das, und ihr wisst, dass die Deutschen euch niemals sagen würden: Ihr seid Deutsche, weil ihr deutsch sprecht. Und dasselbe gilt für Frankreich und Italien. – Für dich ist das also kein Thema. Und als ich Gäste aus Wien hatte, den Leiter des Sozialforschungsinstituts in Wien, der Lwiw auch schon während des Krieges besuchte, fragte ich ihn: „Was denkst du über das, worüber wir gesprochen haben. Was sind deine Sorgen im Blick auf Russland?“ Er antwortete mir: „Meine Sorgen sind eher, ob sich die ukrainische Politik immer mehr nach rechts entwickelt. Diese Gefahr sehe ich durchaus bin mir nicht sicher, ob es doch anders sein könnte. Ich sagte: „Sieh dir einmal haben, wir sind in einem Krieg und Tausende, Hunderttausende sterben, uns sie sind bereit, uns alle töten. Das sind unsere wirkliche Sorgen. Und du machst dir Sorgen, wir wären alle Nationalisten. Er glaubte, wir wären wirklich so, und das jetzt in dieser schrecklichen Zeit.
Wenn ich an morgen denke, weiss ich nicht, ob Italien wieder ein neuer Duce Mussolini gewählt wird, der gesagt hat, dass der italienischsprachige Teil der Schweiz eigentlich zu Italien gehöre. In dieser Situation wirst du einfach zu einem Nationalisten, wenn du dich unserer Lage befindest.
Das verstehe ich. Ich denke an das, was mir Mateusz Sora über die Spaltung der polnischen Gesellschaft erzählt hat. Es geschieht dasselbe wie in den USA. Mateusz ging zur Demonstration in Warschau, um der es um die europäische Zukunft Polens ging, es waren mehrere Millionen Menschen auf der Straße. Wir können wirklich nicht sagen, in welche Richtung es geht. Aber Polen weiß, dass Russland gefährlich ist.
Lugano und die Rolle der Banken
Ja, sie wissen es sehr genau. Eine andere Erinnerung aus der Schweiz: Ich fuhr durch die Schweiz, von Italien in die Ukraine. In Facebook fand ich einen Künstler aus in Lugano. Wie er hiess, weiss ich gerade nicht mehr. Ich rief ihn an und er sagte: „Okay, wenn du gerade in Lugano bist, komme komme ich zu dir, damit wir uns einmal sehen können.“ Wir spazierten durch die schöne Stadt mit dem See und dem neuen Museum, und ich sagte zu Ihm: „So eine schöne Stadt! Unglaublich.“ Er antwortete: „Nein, dass ist sie nicht mehr.“ Ich fragte zurück: „Warum denn?“ „Weißt du, als ich ein Kind war, lebten wir auf der Straße gelebt und die war von Menschen überfüllt. Heute ist die Strasse lehr und voller Banken und teuren Geschäften. Es ist keine Stadt mehr, in der es sich zu leben lohnt. Wenn du aber in eine italienische Stadt kommst, siehst du immer ganz viele Einheimische. Sie sitzen da, trinken Kaffee und zeigen sich sehr emotional. Lass uns lieber über etwas sprechen.“ In Lugano sieht du wirklich leere Strassen. Und nur diese Büroleute, Angestellte mit ihren Anzügen und weissen Hemden. Alles ist sauber, aber es gibt kein Leben.
Ich denke, du solltest mehr in den Norden gehen, nach Locarno oder Bellinzona, da gibt es noch Leben. In Bellinzona ist immer etwas los, wenn auch lokal. In Lugano gibt es diese vielen Italiener, die mit ihrem Geld kommen. Die Rolle der Banken ist ein schwieriges Thema für die Schweiz.
Ja, das verstehe ich. Wie viel russisches Geld gibt es da wohl?
Ich weiß es es auch nicht. Niemand weiss das wirklich. Oder wir wollen es lieber nicht wissen. – Danke für alles, was du mit weitergeben hast und mir sehr wichtig kompetent und wichtig erscheint.
Vielen Dank, dass du mich besucht hast. Ich denke, wenn ich das nächste Mal in die Schweiz fahre, wäre es eine schöne Gelegenheit, dich in deiner Heimatstadt zu besuchen. Bleiben wir miteinander in Kontakt.
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