· 

Wahrheit und Lüge im Interview von Tucker Carlson mit Putin

Putin spricht, Carlson nickt: Der Wortlaut des Interviews

 

ARTIKEL VOM 10.02.2024 THE EUROPEAN

Bild: Aquarell "Der Kampf gegen das Böse" von Danylo Movchan, Lwiw

 

Der Wortlaut des Interviews ist gekürzt, damit die Lesenden nicht überfordert sind. Zudem werde ich noch eine Fassung dieses Beitrages erstellen, die nur meine Kommentare enthält. Dieser Beitrag ist auch als PDF am Ende hinzugefügt zum besseren Lesen und Ausdrucken.

 

Von Journalismus war wenig zu spüren, aber über dieses TV-Gespräch diskutiert die Welt. Darum wollen wir unseren Lesern den Wortlaut nicht vorenthalten

 

Wladimir Putin im Interview mit Tucker Carlson: Der Krermlchef lächelt zufrieden

Tucker Carlson: Herr Präsident, ich danke Ihnen.

 

Am 24. Februar 2022 wandten Sie sich in Ihrer landesweiten Ansprache an Ihr Land, als der Konflikt in der Ukraine begann, und Sie sagten, dass Sie handelten, weil Sie zu dem Schluss gekommen waren, dass die Vereinigten Staaten über die NATO einen, Zitat, "Überraschungsangriff auf unser Land" starten könnten. In amerikanischen Ohren klingt das paranoid. Sagen Sie uns, warum Sie glauben, dass die Vereinigten Staaten Russland aus heiterem Himmel angreifen könnten. Wie sind Sie zu diesem Schluss gekommen?

 

Wladimir Putin: Es ist nicht so, dass die Vereinigten Staaten einen Überraschungsangriff auf Russland starten würden, das habe ich nicht gesagt. Ist das hier eine Talkshow oder ein ernsthaftes Gespräch?

 

Tucker Carlson: Nein, ich meine es sehr ernst.

 

Wladimir Putin: Soweit ich weiß, haben Sie ursprünglich eine Ausbildung in Geschichte gemacht?

 

Tucker Carlson: Ja.

 

Wladimir Putin: Wenn es Ihnen also nichts ausmacht, werde ich nur 30 Sekunden oder eine Minute Ihrer Zeit in Anspruch nehmen, um Ihnen einen kleinen historischen Hintergrund zu geben.

 

Tucker Carlson: Bitte sehr.

 

Wladimir Putin: Schauen wir uns an, woher unsere Beziehung zur Ukraine kommt. Woher kommt die Ukraine?

 

Statt wie von Putin angesagt, kommt nun nicht nur 1 Minute eine der berührmten «Geschichtslektionen» Putin, mit dem er den Krieg für sein Volk und weltweit als unabdingbar notwendig rechtfertigt. Es sind ganze 30 Minuten. Da die westlichen Zuhörer ungenügend Kenntnisse über die tatsächliche Geschichte haben, auch Tucker Carlon nicht, halten sie diesen Exkurs für glaubwürdig oder können ihre Wahrheit schlicht nicht beurteilen. Hier der Beitrag des bekanntesten westlichen Kenners der Geschichte, Timothy Snyder:

https://www.max-hartmann.ch/2024/02/17/die-dummheit-des-faschismus-enth%C3%BCllt-im-carlson-interview-timothy-snyder-putins-mythos-vom-v%C3%B6lkermord/

 

Die neue polnische Regierung hat darauf ebenfalls reagiert mit 10 Richtigstellungen. So wird etwa Polen bezichtigt, sie hätte mit Hitler kooperiert. Wahr ist, dass genau dies Stalin mit dem Molotow -Ribbentrop-Nichtangriffspakt getan hat, wobei ihn später Hitler betrog.

 

Zudem ist klar zu sagen, dass der Angriff auf die Ukraine die internationale Garantie der Staatsgrenzen eines real existierenden Staates verletzt. Wenn die internationale Gemeinschaft dies Putin erlaubt, ist dies der gefährliche Präzendenzfall, der anderen Staaten dasselbe erlaubt und führt zu endlosen weiteren Kriegen. Die Ukraine dagegen hat die Souveräntität Russland in seinem heutigen Umfang nie bestritten und verletzt.

 

Abschliessend zu dieser gefälschten Geschichtsdeutung sagt Putin und bestreitet damit jedes Existenzrecht der Ukraine:

 

In diesem Sinne haben wir also allen Grund zu behaupten, dass die Ukraine ein künstlicher Staat ist, der nach Stalins Willen geformt wurde.

 

Tucker Carlson: Glauben Sie, dass Ungarn das Recht hat, sein Land von der Ukraine zurückzufordern? Und dass andere Nationen das Recht haben, zu ihren Grenzen von 1654 zurückzukehren?

 

Wladimir Putin: Ich bin mir nicht sicher, ob sie zu den Grenzen von 1654 zurückkehren sollten, aber in Anbetracht der Zeit Stalins, des so genannten Stalin-Regimes - das, wie viele behaupten, zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen der Rechte anderer Staaten erlebte - kann man sagen, dass sie ihr Land zurückfordern könnten, auch wenn sie kein Recht dazu haben, so ist es doch zumindest verständlich...

 

Menschenrechtsverletzungen und die Verletzungen der Rechte des Staates durch Stalin bezeichnet Putin als eine Behauptung. Er ist also davon nicht wirklich überzeugt. Tatsache ist, dass genau dies Stalin in einem unvorstellbaren riesigen Ausmass hat. Schätzungen gehen von 20 Millionen Opfer in der Sowjetunion aus:

https://www.planet-wissen.de/geschichte/diktatoren/stalin_der_rote_diktator/index.html

 

Zudem bezeichnet Putin den Wunsch Ungarn, Land zurückzuholen, als zumindestens verständlich. Deshalb ist wohl Orban ein Freund Putins. Anschliessend zeigt Carlson Verständnis für Staaten, die mit den heutigen Grenzen unzufrieden sind. Also bestreitet auch er das Souveränitätsrecht der heutigen Staatsgrenzen.

 

Tucker Carlson: Haben Sie Viktor Orbán gesagt, dass er einen Teil der Ukraine haben kann?

 

Wladimir Putin: Niemals. Ich habe es ihm nie gesagt. Nicht ein einziges Mal. Wir haben nicht einmal darüber gesprochen, aber ich weiß mit Sicherheit, dass die Ungarn, die dort leben, in ihr historisches Land zurückkehren wollen.

 

Wir kommen jetzt zu dem Punkt, an dem die Sowjetukraine gegründet wurde. Dann, im Jahr 1991, brach die Sowjetunion zusammen. Und alles, was Russland der Ukraine großzügig geschenkt hatte, wurde von der Ukraine "weggeschleppt".

 

Aus der Sicht Putins hätte die Ukraine alles, was die Sowjetunion in der Ukraine aufgebaut hat, Russland zurückgeben sollen. Die Sowjetunion war aber eine Staatsgemeinschaft, von der Russland der grösste Teil war. Russland wurde nicht von den anderen Teilrepubliken bestohlen, die heute eigene souverände Staaten sind. Wenn Putin das sagt, müssten alle baltischen Staaten, Moldawien, Armenien Georgien, Kasachstan, Turkmenistan, Aserbeidschan, Usbekistan, Kirgisien etc. heute Russland entschädigen, was sie aus der Zeit der Sowjetunion erhalten haben.

 

Ich komme jetzt zu einem sehr wichtigen Punkt der heutigen Tagesordnung. Schließlich wurde der Zusammenbruch der Sowjetunion praktisch von der russischen Führung eingeleitet. Ich weiß nicht, wovon sich die russische Führung damals leiten ließ, aber ich vermute, dass es mehrere Gründe gab, zu glauben, dass alles gut gehen würde.

 

Putin bezeichnet die Auslösung der Sowjetunion als grösste geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Seine Strategie ist es, diese rückgängig zu machen. Der erste Schritt dazu war die Besatzung Teile Georgiens, dann Transnistrien, die Krim und den Donbas. Alles wider jedes Völkerrecht. Und nun will er sich die Ukraine zurückholen. Und was kommt nachher, falls es ihm gelingt? Sind wir zuletzt zurück beim «eisernen Vorhang»?

 

 

Erstens glaubte die damalige russische Führung, dass die Grundlagen der Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine folgende seien: eine gemeinsame Sprache - mehr als 90 Prozent der Bevölkerung sprachen Russisch -, familiäre Bindungen - jeder Dritte dort hatte familiäre oder freundschaftliche Bindungen -, eine gemeinsame Kultur, eine gemeinsame Geschichte und schließlich ein gemeinsamer Glaube, die jahrhundertelange Koexistenz innerhalb eines einzigen Staates und eine eng miteinander verflochtene Wirtschaft. All dies war so grundlegend. Alle diese Elemente zusammen machen unsere guten Beziehungen unvermeidlich.

 

Als Muttersprache benutzt nur eine Minderheit russisch. Alle anderen mussten in Folge der Russifizierung durch die Sowjetunion unter der Führung Moskau russisch lernen und benutzen. Die ukrainische Sprache und Kultur wurde unterdrückt, als minderwertig betrachtet, Bücher und andere Medien auf ukrainisch wurden unterbunden. In den neu durch Russland besetzten Gebieten werden ukrainisch-sprachige Bücher aus den Bibliotheken entfernt und Museen mit der ukrainischen Geschichte zerstört. Die Bevölkerung muss zudem die russische Geschichtsschreibung übernehmen. Es ist ein kultureller Genozid.

 

Der zweite Punkt ist ein sehr wichtiger Punkt. Ich möchte, dass Sie als amerikanischer Bürger und Ihre Zuschauer dies ebenfalls erfahren. Die frühere russische Führung ging davon aus, dass die Sowjetunion nicht mehr existiert und es daher keine ideologischen Trennlinien mehr gibt. Russland stimmte sogar freiwillig und proaktiv dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu und glaubte, dass dies vom so genannten (jetzt in Anführungszeichen) "zivilisierten Westen" als Einladung zur Zusammenarbeit und Assoziierung verstanden werden würde. Das war es, was Russland sowohl von den Vereinigten Staaten als auch vom so genannten kollektiven Westen als Ganzes erwartete.

 

Wir im Westen freuten uns tatsächlich, dass die Sowjetunion sich aufgelöst hatte und damit auch der kommunistische Anspruch auf Weltherrschaft. Wir glaubten an eine neue, bessere Zeit, in der Russland sich in einem freundschaftlichen Verhältnis entwickeln kann. So entstanden viel westliche wirtschaftliche Engagements zum Aufbau einer modernen russischen Wirtschaft. Nach den chaotischen 90er-Jahren konnte so eine Entwicklung entstehen, in denen es den Menschen in Russland besser ging. Wir glaubten auch, dass ein freies und demonkratisches Russland möglich ist.

 

Es gab kluge Leute, auch in Deutschland. Egon Bahr, ein bedeutender Politiker der Sozialdemokratischen Partei, der in seinen persönlichen Gesprächen mit der sowjetischen Führung am Rande des Zusammenbruchs der Sowjetunion darauf bestand, dass in Europa ein neues Sicherheitssystem geschaffen werden sollte. Es sollte Hilfe bei der Wiedervereinigung Deutschlands geleistet werden, aber es sollte auch ein neues System geschaffen werden, das die Vereinigten Staaten, Kanada, Russland und andere mitteleuropäische Länder einschließt. Aber die NATO muss nicht erweitert werden. Das hat er gesagt: Wenn die NATO erweitert wird, wäre alles wie zu Zeiten des Kalten Krieges, nur näher an den Grenzen Russlands. Das ist alles. Er war ein weiser alter Mann, aber niemand hörte auf ihn. Einmal wurde er sogar wütend (wir haben eine Aufzeichnung dieses Gesprächs in unserem Archiv): "Wenn Sie nicht auf mich hören, werde ich nie wieder einen Fuß nach Moskau setzen", sagte er. Er war frustriert über die sowjetische Führung. Er hatte Recht, alles geschah genau so, wie er es gesagt hatte.

 

Zunächst gab es tatsächlich die Absicht, die NATO nicht zu erweitern. Dies erfolgte dann aber auf den ausdrücklichen Wunsch sämtlicher osteuropäischer Staaten mit Ausnahme der Ukraine und Moldawien. Diese Staaten suchten den Anschluss an den Westen, die EU und eine militärische Absicherung gegenüber Russland und seinem Einfluss, unter dem sie nach Ende des Zweiten Weltkrieges geraten waren und litten. Westeuropa dagegen blieb verschont und konnte sich frei und erfolgreich entwickeln.

 

Tucker Carlson: Nun, natürlich hat sich das bewahrheitet, und Sie haben es oft erwähnt. Ich denke, das ist ein guter Punkt. Und viele in Amerika dachten, dass die Beziehungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Kern gut sein würden. Aber das Gegenteil war der Fall. Aber Sie haben nie erklärt, warum Sie glauben, dass das passiert ist, außer zu sagen, dass der Westen ein starkes Russland fürchtet. Aber wir haben ein starkes China, vor dem der Westen keine große Angst zu haben scheint. Was ist mit Russland, was hat die politischen Entscheidungsträger Ihrer Meinung nach dazu bewogen, es zu Fall zu bringen?

 

Wladimir Putin: Der Westen hat mehr Angst vor einem starken China als vor einem starken Russland, denn Russland hat 150 Millionen Einwohner, China dagegen 1,5 Milliarden, und seine Wirtschaft wächst sprunghaft - über fünf Prozent pro Jahr, früher sogar noch mehr. Aber das ist genug für China. Wie Bismark einst sagte, sind die Potenziale das Wichtigste. Chinas Potenzial ist enorm - es ist heute die größte Volkswirtschaft der Welt, gemessen an der Kaufkraftparität und an der Größe der Wirtschaft. Es hat die Vereinigten Staaten schon vor langer Zeit überholt und wächst rasant.

 

Lassen Sie uns nicht darüber reden, wer vor wem Angst hat, lassen Sie uns nicht in solchen Begriffen argumentieren. Und lassen Sie uns auf die Tatsache eingehen, dass nach 1991, als Russland erwartete, in die brüderliche Familie der "zivilisierten Nationen" aufgenommen zu werden, nichts dergleichen geschah. Sie haben uns ausgetrickst (ich meine natürlich nicht Sie persönlich, wenn ich "Sie" sage, ich spreche von den Vereinigten Staaten), das Versprechen lautete, dass die NATO sich nicht nach Osten ausdehnen würde, aber das geschah fünfmal, es gab fünf Erweiterungswellen. Wir haben das alles toleriert, wir haben versucht, sie zu überzeugen, wir haben gesagt: "Bitte nicht, wir sind jetzt genauso bürgerlich wie ihr, wir sind eine Marktwirtschaft, und es gibt keine Macht der Kommunistischen Partei. Lasst uns verhandeln." Außerdem, das habe ich auch schon einmal öffentlich gesagt (schauen wir uns jetzt die Zeit von Jelzin an), gab es einen Moment, in dem eine gewisse Kluft zwischen uns zu wachsen begann. Davor kam Jelzin in die Vereinigten Staaten, erinnern Sie sich, er sprach im Kongress und sagte die guten Worte: "Gott segne Amerika". Alles, was er sagte, waren Signale - lasst uns rein.

 

Erinnern Sie sich an die Entwicklungen in Jugoslawien, davor wurde Jelzin mit Lob überschüttet, sobald die Entwicklungen in Jugoslawien begannen, erhob er seine Stimme zur Unterstützung der Serben, und wir konnten nicht anders, als unsere Stimme für die Serben zu ihrer Verteidigung zu erheben. Ich verstehe, dass dort komplexe Prozesse im Gange waren, das tue ich. Aber Russland konnte nicht anders, als seine Stimme zur Unterstützung der Serben zu erheben, denn die Serben sind auch ein besonderes und uns nahestehendes Volk, mit orthodoxer Kultur und so weiter. Es ist ein Volk, das seit Generationen so viel gelitten hat. Wie dem auch sei, wichtig ist, dass Jelzin seine Unterstützung zum Ausdruck gebracht hat. Was haben die Vereinigten Staaten getan? Unter Verletzung des Völkerrechts und der UN-Charta begannen sie mit der Bombardierung Belgrads.

 

Nach dem Genozid in Srebenica reagierte der Westen bzw. die NATO mit der Bomardierung von Belgrad. Ob dieser Schritt tatsächlich nötig war, lässt sich bestreiten. Tatsache aber ist, dass Serbien wie Russland letztlich nicht akzeptieren wollten, dass die nicht-russischen Teile der Sowjetunion und die nicht-serbischen Teile von Jugoslawien unabhängig sein wollten.

 

Es waren die Vereinigten Staaten, die den Geist aus der Flasche ließen. Und was wurde gesagt, als Russland protestierte und seinen Unmut zum Ausdruck brachte? Die UN-Charta und das Völkerrecht sind obsolet geworden. Heute beruft sich jeder auf das Völkerrecht, aber damals hieß es, alles sei überholt, alles müsse geändert werden.

 

Das Völkerrecht wurde nicht eigentlich verletzt. Jugoslawien und die Sowjetunion waren ein Staatenbund. Doch Putin zeigt uns klar, dass er beansprucht, dass Russland und Serbien einen Machtanspruch auf die ganze ehemalige Sowjetunin bzw. Serbien besitzen. Damit wird allen anderen Teilen der ehemaligen Staatenbünde das Recht auf Freiheit und Souveräntität bestritten. Putin erhebt einen Machtanspruch, der ihm nicht zusteht.

 

In der Tat müssen einige Dinge geändert werden, da sich die Machtverhältnisse geändert haben, das stimmt, aber nicht auf diese Weise. Jelzin wurde sofort in den Dreck gezogen, ihm wurde Alkoholismus vorgeworfen, er habe nichts verstanden, er habe nichts gewusst. Er hat alles verstanden, das versichere ich Ihnen.

 

Nun, ich wurde im Jahr 2000 Präsident. Ich dachte: Okay, die Jugoslawien-Frage ist erledigt, aber wir sollten versuchen, die Beziehungen wiederherzustellen. Lassen Sie uns die Tür wieder öffnen, durch die Russland versucht hatte zu gehen. Und außerdem habe ich es öffentlich gesagt, ich kann es wiederholen. Bei einem Treffen hier im Kreml mit dem scheidenden Präsidenten Bill Clinton, gleich hier im Nebenzimmer, habe ich ihn gefragt: "Bill, glauben Sie, dass Russland, wenn es um den Beitritt zur NATO bäte, dies tun würde?" Plötzlich sagte er: "Wissen Sie, es ist interessant, ich denke schon." Aber am Abend, als wir zu Abend aßen, sagte er: "Wissen Sie, ich habe mit meinem Team gesprochen, nein, das ist jetzt nicht möglich." Sie können ihn fragen, ich denke, er wird unser Interview sehen, er wird es bestätigen. Ich hätte so etwas nicht gesagt, wenn es nicht passiert wäre. Okay, nun, jetzt ist es unmöglich.

 

Tucker Carlson: Waren Sie aufrichtig? Wären Sie der NATO beigetreten?

 

Wladimir Putin: Sehen Sie, ich habe die Frage gestellt: "Ist es möglich oder nicht?" Und die Antwort, die ich bekam, war nein. Wenn ich unaufrichtig gewesen wäre in meinem Wunsch, herauszufinden, wie die Position der Führung ist...

 

Tucker Carlson: Aber wenn er ja gesagt hätte, wären Sie dann der NATO beigetreten?

 

Wladimir Putin: Wenn er Ja gesagt hätte, hätte der Prozess der Annäherung begonnen, und schließlich wäre es vielleicht dazu gekommen, wenn wir einen aufrichtigen Wunsch auf Seiten unserer Partner gesehen hätten. Aber das ist nicht geschehen. Nun, nein heißt nein, okay, gut.

 

Hier lügt Putin, wenn er nicht ehrlich ist und sagt: Nein, wir wären niemals der NATO beigetreten, wir hätten die Auslösung der NATO gefordert. Wahr ist, dass der Westen bis zuletzt, vor dem Übergriff Russlands auf die Ukraine, geglaubt hat, es liesse sich mit Putin verhandeln und es wäre ein positives gegenseitiges Verhältnis möglich. Das war ein naiver, westlicher Glaube, mit dem Putin sein Spiel trieb und sogar westliche Staatsoberhäupter ungeniert anlog.

 

Tucker Carlson: Was glauben Sie, warum ist das so? Nur um zum Motiv zu kommen. Ich weiß, Sie sind eindeutig verbittert darüber. Ich verstehe das. Aber warum, glauben Sie, hat der Westen Sie damals abblitzen lassen? Warum die Feindseligkeit? Warum hat das Ende des Kalten Krieges die Beziehungen nicht verbessert? Was ist aus Ihrer Sicht der Grund dafür?

 

Wladimir Putin: Sie sagten, ich sei verbittert über die Antwort. Nein, das ist keine Verbitterung, sondern nur eine Feststellung der Tatsachen. Wir sind nicht die Braut und der Bräutigam, Bitterkeit, Groll, um solche Dinge geht es unter diesen Umständen nicht. Wir haben einfach gemerkt, dass wir dort nicht willkommen sind, das ist alles. Okay, gut. Aber lassen Sie uns die Beziehungen auf eine andere Art und Weise aufbauen, lassen Sie uns anderswo nach einer gemeinsamen Basis suchen. Warum wir eine so negative Antwort erhalten haben, sollten Sie Ihren Führer fragen. Ich kann nur vermuten, warum: ein zu großes Land, mit einer eigenen Meinung und so weiter. Und die Vereinigten Staaten - ich habe gesehen, wie die Probleme in der NATO gelöst werden.

 

Ich werde Ihnen jetzt ein anderes Beispiel geben, das die Ukraine betrifft. Die US-Führung übt Druck aus, und alle NATO-Mitglieder stimmen gehorsam ab, auch wenn ihnen etwas nicht gefällt. Ich werde Ihnen jetzt sagen, was 2008 in dieser Hinsicht mit der Ukraine passiert ist, auch wenn es diskutiert wird, ich werde Ihnen kein Geheimnis verraten, nichts Neues sagen. Dennoch haben wir danach versucht, die Beziehungen auf verschiedene Weise aufzubauen. Zum Beispiel haben wir nach den Ereignissen im Nahen Osten, im Irak, die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten auf eine sehr sanfte, vorsichtige und vorsichtige Weise aufgebaut.

 

Putin belebt das alte Feindbild der Sowjetunion, was die USA betrifft. Die USA haben Kriege geführt, die sehr fragwürdig und verbrecherisch waren, was heute niemand in den USA ernsthaft bestreitet. Die Sowjetunion/Russland haben zuerst den Krieg in Afghanistan geführt, und weit gewaltsamer als später der Westen nach den Ereignissen 9/11. Russland hat zudem ermöglicht, dass sich das Assad von Syrien halten konnte und damit eine Diktatur mit schrecklichen Menschenrechsverletzungen und unzähligen Toten. Die russische Unterstützung erfolgt bis heute alles andere als sanft. Von den zahllosen Geflüchteten aus Syrien und dem Irak spricht er nicht, den Flüchlingslagern im Nordwesten Syriens, die seit Jahren bestehen, von den Flüchtlingsströmen nach Westeuropa, die zur Flüchtlingskrise bei uns geführt haben, auch nicht. Wir mussten und müssen bis heute die Folgen der russischen Unterstützung im Nahen Osten tragen. Auch mit Hamas pflegt Putin den Kontakt, Iran ist zu einem mit ihm befreudenten Staat geworden, ebenfalls Nordkorea – und beide Staaten beliefern ihn mit Waffen für den Krieg in die Ukraine.

 

Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, dass die Vereinigten Staaten keinen Separatismus oder Terrorismus im Nordkaukasus unterstützen sollten. Aber sie taten es trotzdem weiter. Die Vereinigten Staaten und ihre Satelliten unterstützten terroristische Gruppen im Kaukasus politisch, mit Informationen, finanziell und sogar militärisch.

 

Geht es hier um Tschetschenien? Hat der Westen wirklich den tschetschenischen Kampf um Unabhängigkeit unterstützt? Wenn es war, dann geschah es durch islamistische arabische Ölstaaten. Putins Krieg in Tschetschenien war äusserst verlogen, unprofessionell und brutal geführt. Damit putschte er sich eigentlich an die Macht. Darüber könnte ich Belege anführen. So wurde eine mutige russische Journalistin, die der Wahrheit nachging, ermordert. Carlson spricht nichts davon an. Kennt er es nicht? Oder war die Vereinbarung, dass Putin das Gespräch dann sofort abbricht und kein Interview veröffentlicht wird. Meiner Meinung nach war es beides. Carlson ist Anhänger von Trump, und Trump ein Freund Putins. Russische Gelder haben ihn zweimal vor dem eigenen Konkurs bewahrt. Auch hier habe ich Belege.

 

Ich habe dieses Thema einmal bei meinem Kollegen, der ebenfalls Präsident der Vereinigten Staaten ist, angesprochen. Er sagte: "Das ist unmöglich! Haben Sie Beweise?" Ich sagte: "Ja." Ich war auf dieses Gespräch vorbereitet und gab ihm diese Beweise. Er sah sie sich an und wissen Sie, was er sagte? Ich entschuldige mich, aber das ist passiert, ich zitiere. Er sagte: "Nun, ich werde ihnen in den Arsch treten". Wir warteten und warteten auf eine Antwort - es gab keine Antwort.

 

Ich sagte zum FSB-Direktor: "Schreiben Sie an die CIA. Was ist das Ergebnis des Gesprächs mit dem Präsidenten?" Er schrieb einmal, zweimal, und dann bekamen wir eine Antwort. Wir haben die Antwort im Archiv. Die CIA hat geantwortet: "Wir haben mit der Opposition in Russland zusammengearbeitet. Wir glauben, dass dies das Richtige ist, und wir werden es auch weiterhin tun. Einfach lächerlich. Nun ja, okay. Uns war klar, dass das nicht in Frage kommt.

 

Der Westen würde sämtliche seiner Werte von Freiheit, Meinungsäusserung und Demokratie verleugnen, wenn er die Unterdrückung der Opposition in Russland nicht kritisiert. Der Westen glaubte an ein demokratisches Russland. Putin beseitigt seine Gegner, diese Woche Nawalny.

 

 

Tucker Carlson: Kräfte, die in Opposition zu Ihnen stehen? Glauben Sie, dass die CIA versucht, Ihre Regierung zu stürzen?

 

Wladimir Putin: Natürlich meinten sie in diesem speziellen Fall die Separatisten, die Terroristen, die mit uns im Kaukasus gekämpft haben. Das ist die Opposition, die sie genannt haben. Das ist der zweite Punkt.

 

Nein, Putin, es geht um die russische Opposition, die du beseitigt hast und weiter beseitigst.

 

Der dritte Punkt, ein sehr wichtiger Punkt, ist der Moment, als das US-Raketenabwehrsystem (ABM) geschaffen wurde. Das war der Anfang. Wir haben lange Zeit darauf hingearbeitet, dass die Vereinigten Staaten es nicht tun. Nachdem ich von Bush Jr.'s Vater, Bush Sr. eingeladen worden war, sein Haus am Meer zu besuchen, hatte ich ein sehr ernstes Gespräch mit Präsident Bush und seinem Team. Ich schlug vor, dass die Vereinigten Staaten, Russland und Europa gemeinsam ein Raketenabwehrsystem aufbauen, das unserer Meinung nach, wenn es einseitig aufgebaut wird, unsere Sicherheit bedroht, obwohl die Vereinigten Staaten offiziell sagten, dass es gegen Raketenbedrohungen aus dem Iran aufgebaut wird. Das war die Rechtfertigung für die Errichtung des Raketenabwehrsystems. Ich schlug vor, zusammenzuarbeiten - Russland, die Vereinigten Staaten und Europa. Sie sagten, das sei sehr interessant. Sie fragten mich: "Ist das Ihr Ernst?" Ich sagte: "Auf jeden Fall".

 

Dass der Westen Russland angreifen will, ist ein Märchen. Was er möchte, wäre eine andere Regierung. Aber nicht durch gewaltsames Eingreifen und damit einen Weltkrieg.

 

Tucker Carlson: Darf ich fragen, in welchem Jahr das war?

 

Wladimir Putin: Das weiß ich nicht mehr. Es ist einfach, das im Internet herauszufinden, als ich auf Einladung von Bush Sr. in den USA war. Es ist sogar noch einfacher, es von jemandem zu erfahren, von dem ich Ihnen erzählen werde.

 

Hier lügt er. Er weiss das sehr wohl, er weiss ja vieles…

 

Man sagte mir, es sei sehr interessant. Ich sagte: "Stellen Sie sich vor, wenn wir eine solche globale, strategische Sicherheitsherausforderung gemeinsam angehen könnten. Die Welt würde sich verändern. Wir werden wahrscheinlich Streitigkeiten haben, wahrscheinlich wirtschaftliche und sogar politische, aber wir könnten die Situation in der Welt drastisch verändern." Er sagt: "Ja." Und fragt: "Ist das Ihr Ernst?". Ich sage: "Natürlich." "Wir müssen darüber nachdenken", wird mir gesagt. Ich sagte: "Nur zu, bitte."

 

Dann kamen Verteidigungsminister R. Gates, der ehemalige Direktor der CIA, und Außenministerin C. Rice hierher, in dieses Kabinett. Genau hier, an diesem Tisch, saßen sie auf dieser Seite. Ich, der Außenminister, der russische Verteidigungsminister - auf dieser Seite. Sie sagten zu mir: "Ja, wir haben darüber nachgedacht, wir sind einverstanden." Ich sagte: "Gott sei Dank, großartig." - "Aber mit einigen Ausnahmen."

 

Der Westen glaubte an die Möglichkeit des Verhandelns – und war dabei völlig naiv. Das werfen uns die Polen und die Ukrainer vor.

Tucker Carlson: Sie haben also zweimal beschrieben, wie US-Präsidenten Entscheidungen treffen und dann von ihren Behördenleitern unterboten werden. Es klingt also so, als würden Sie ein System beschreiben, das nicht von den Menschen geführt wird, die Sie gewählt haben.

 

Wladimir Putin: Das ist richtig, das ist richtig. Am Ende haben sie uns einfach gesagt, wir sollen verschwinden. Ich werde Ihnen keine Einzelheiten nennen, weil ich das für falsch halte, schließlich war es ein vertrauliches Gespräch. Aber unser Vorschlag wurde abgelehnt, das ist eine Tatsache.

 

Wer so angelogen wird, wie es der Kreml tat, gibt irgendeinmal auf. Leider ist heute eine neue Militarisierung in der Folge der Entwicklung Russlands durch Putin notwendig geworden. Sonst lässt sich seine Strategie nicht stoppen.

 

Damals habe ich gesagt: "Schauen Sie, aber dann werden wir gezwungen sein, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Wir werden solche Schlagsysteme schaffen, die mit Sicherheit Raketenabwehrsysteme überwinden werden." Die Antwort war: "Wir machen das nicht gegen euch, und ihr macht, was ihr wollt, vorausgesetzt, es ist nicht gegen uns, nicht gegen die Vereinigten Staaten". Ich sagte: "Okay."

 

Nun gut, so war es dann auch. Und wir haben Hyperschallsysteme mit interkontinentaler Reichweite entwickelt, und wir entwickeln sie weiter. Wir sind jetzt allen voraus - den Vereinigten Staaten und anderen Ländern -, was die Entwicklung von Hyperschallsystemen angeht, und wir verbessern sie jeden Tag.

 

Aber wir waren es nicht, wir haben vorgeschlagen, in die andere Richtung zu gehen, und wir wurden zurückgedrängt.

 

Nun kommt das Thema Ukraine neu. Der Westen unterstützte und unterstützt tatsächlich die Ukraine mit ihrem durch freie Abstimmungen klaren Willen des Anschlusses an den Westen. Darf er das nicht? Muss die Ukraine unter der Herrschaft Russlands bleiben?

 

Den Aufstands des Volkes auf dem Maidan bezeichnet Putin als Staatsstreich. Das Volk wollte, dass Janokowytsch den Souverän achtet und das Gesuch des Beitrittes an die EU unterschreibt. Putin stoppte ihn dann.

 

Das ist ein Staatsstreich. Stellen Sie sich vor, jemandem in den Vereinigten Staaten würde das Ergebnis nicht gefallen...

 

Tucker Carlson: Im Jahr 2014? …

 

Tucker Carlson: Mit Rückendeckung von wem?

 

Wladimir Putin: Natürlich mit der Unterstützung der CIA. …

 

Es ist immer die CIA. Der russische Geheimdienst unter der Fühung des KGB-Mannes Putins mit seiner massiven Propagandaattacke auf den Westen und der Unterstützung der Wahl von Trump wird überhaupt nicht angesprochen.

 

 

Unser Ziel ist es, diesen Krieg zu beenden. Und wir haben diesen Krieg nicht 2022 begonnen. Dies ist ein Versuch, ihn zu beenden.

 

Tucker Carlson: Glauben Sie, dass Sie ihn jetzt gestoppt haben? Ich meine, haben Sie Ihre Ziele erreicht?

 

Wladimir Putin: Nein, wir haben unsere Ziele noch nicht erreicht, denn eines davon ist die Entnazifizierung. Das bedeutet das Verbot aller Arten von Neonazi-Bewegungen. Dies ist eines der Probleme, die wir während des Verhandlungsprozesses, der Anfang letzten Jahres in Istanbul endete, erörtert haben, und es war nicht unsere Initiative, denn uns wurde (vor allem von den Europäern) gesagt, dass "es notwendig sei, Bedingungen für die endgültige Unterzeichnung der Dokumente zu schaffen". Meine Amtskollegen in Frankreich und Deutschland sagten: "Wie können Sie sich vorstellen, dass sie einen Vertrag unterschreiben, wenn man ihnen eine Waffe an den Kopf hält? Die Truppen sollten aus Kiew abgezogen werden. Ich sagte: 'In Ordnung. Wir zogen die Truppen aus Kiew ab.

 

Der Rückzug aus Kyjiw war eine militärische Niederlage Russlands, geschah nicht einfach freiwillig. Das grosse Stichwort ist jedoch «Entnazifizierung». Was Putin damit meint, ist der Wille der meisten Ukrainer, eine unabhängige Nation und eine eigenständige Kultur zu sein.

Es gibt in der Ukraine ultranationalistische Kreise. Weit unterdurchschnittlich im weltweiten Vergleich ist aber der Antisemitismus vorhanden. So entstand nach der Unabhängigkeit der Ukraine endlich ein würdiges Denkmal für die Opfer der Massenerschiessung in der Schlucht Babyn Jar in Kyjiw (33 000 Menschen Juden in zwei Tagen) nach der Besatzung durch die Nazis. Dieses Verbrechen wurde nach der zwangsweisen Wiedereingliederung der Ukraine in die Sowjetunion nach der Wiedereroberung der Roten Armee in der Sowjetunion verschwiegen oder man sprach nicht von jüdischen Opfern, sondern von Kommunisten, die vergleichsweise in geringer Zahl dort auch ermodert wurden. Stalin selbst war antisemitisch eingestellt -  eine lange Tradition in Russland, die unter Putin neu aufgeblüht ist und sich auch in der Unterstützung des Iran und der Tatsache, dass die Internetadresse der Hamas in Russland existiert, zeigt.

 

Eine der ersten Anschläge nach dem Überfall Russlands war die teilweise gelungene Zerstörung der neuen Gedenkstätte für die jüdischen Opfer. Von den 6 Millionen Juden, die von den Nazis ermordert wurde, stammten 1,5 Millionen aus der Ukraine. Viele der zahlreichen jüdischen Nobelpreisträger haben eine ukrainische Herkunft. Heute entwickelt sich das neue jüdische Leben in der Ukraine in aller Freiheit und ohne Sicherheitsmassnahmen, wie sie heute durch den neuaufblühenden Antisemtismus etwa in Frankreich, Deutschland und Schweiz notwendig geworden ist. Zudem wählte die Ukraine mit Selenskij einen Juden als Präsident. Seine jüdische Herkunft war und ist in der Ukraine nie ein Thema gewesen.

 

 

 

Tucker Carlson: Was ist Entnazifizierung? Was würde das bedeuten?

 

Wladimir Putin: Das ist es, worüber ich jetzt sprechen möchte. Es ist ein sehr wichtiges Thema.

 

Entnazifizierung. Nachdem die Ukraine ihre Unabhängigkeit erlangt hatte, begann sie, wie einige westliche Analysten sagen, nach ihrer Identität zu suchen. Und es fiel ihr nichts Besseres ein, als diese Identität auf einigen falschen Helden aufzubauen, die mit Hitler kollaboriert haben.

 

Hier meint Putin Stepan Bandera, in der Tat und zu Recht eine umstrittene und zwiespältige Persönlichkeit. Da dieses Thema immer wieder erscheint, hier ein Ausschnitt aus der Wikipedia:

 

Stepan Andrijowytsch Bandera; * 1. Januar 1909 in Staryj Uhryniw, Galizien, Österreich-Ungarn; † 15. Oktober 1959 in München) war ein nationalistischer ukrainischer Politiker und Anführer des rechtsextremen, terroristischen Flügels der OUN, der OUN-B.

 

Im Jahre 1934 wurde Bandera in Polen wegen der Ermordung des polnischen Innenministers Bronisław Pieracki verurteilt, kam jedoch nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges frei. Er arbeitete anfangs mit der deutschen Wehrmacht zusammen und seine OUN-B-Milizen übernahmen nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Lemberg teilweise die Polizeigewalt. Sie trugen maßgeblich zu den Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung bei und bereiteten unter anderem Verhaftungen und Massenerschießungen vor. Nachdem andere Mitglieder der OUN einen unabhängigen Staat ausgerufen hatten und Bandera die Rücknahme der Erklärung verweigerte, inhaftierte die Gestapo Bandera von Juli 1941 bis September 1944 im KZ Sachsenhausen als Ehrenhäftling mit besseren Haftbedingungen, während zahlreiche seiner Anhänger verhaftet und in Konzentrationslager überstellt oder von der SS erschossen wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg floh Bandera zurück nach Deutschland und wurde in der Sowjetunion in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Er wurde 1959 in München von einem KGB-Agenten ermordet.

 

Nach dem Schulabschluss studierte Bandera ab 1928 am Polytechnikum Lemberg (Lwiw), an dem zur damaligen Zeit Ukrainern nur wenige Veranstaltungen offenstanden. Er schloss sich der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) an, die von Andrij Melnyk geleitet wurde. Diese war 1929 gegründet worden, um gewaltsam Widerstand gegen die Polonisierung und die mit ihr einhergehende Diskriminierung der Ukrainer durch die Zweite Polnische Republik zu leisten. Mit ihrer Militanz und ethno-nationalistischen, undemokratischen Ideologie trug die OUN faschistische Züge. Bandera beteiligte sich an Attentaten der OUN auf polnische Politiker und Ukrainer, denen sie Kollaboration vorwarf. Bandera stieg in der OUN schnell auf und gehörte bereits Anfang der 1930er Jahre zu deren Führungskader. Im Jahre 1934 wurde er zum Tode verurteilt, weil man ihm eine Beteiligung an der Ermordung des polnischen Innenministers Bronisław Pieracki vorwarf. Diese Strafe wurde jedoch in lebenslange Haft umgewandelt.

 

Bandera begab sich in das von Deutschland besetzte Krakau, wo er unter dem Decknamen Konsul II mit dem Nachrichtendienst der Wehrmacht zusammenarbeitete, der sich davon ein Zusammenwirken mit der OUN erhoffte. Im Generalgouvernement wurden so vor Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion unter deutscher Aufsicht Kampfverbände wie das Bataillon Nachtigall aus den Reihen der OUN gebildet.

 

Aufgrund von Differenzen zwischen Bandera und Andrij Melnyk kam es 1940 zur Spaltung der OUN. Während Melnyk fortan die konservative OUN-M unterstand, leitete Bandera die revolutionäre und radikal antisemitische OUN-B (das B steht für banderiwzi, also „Banderisten“ oder „Bandera-Leute“). Sie sprach sich für eine sofortige Unabhängigkeit der Ukraine aus und bekämpfte die Melnyk-Anhänger blutig.

 

Da ein unabhängiger ukrainischer Staat nicht den Vorstellungen der Nationalsozialisten entsprach, wurde Bandera im Juli 1941 verhaftet und im sogenannten Zellenbau des Konzentrationslagers Sachsenhausen inhaftiert, in dem unter anderem auch der ehemalige österreichische Kanzler Kurt Schuschnigg festgehalten wurde. Während zwei von Banderas Brüdern, Oleksandr und Wassyl, im KZ Auschwitz unter ungeklärten Umständen ums Leben kamen, angeblich von polnischen Mithäftlingen erschlagen, genoss Bandera selbst in Sachsenhausen einen Sonderstatus als so genannter Ehrenhäftling

 

Nach Grzegorz Rossoliński-Liebe war Bandera ein „überzeugter Faschist“. Er weist Bandera für die während seiner Abwesenheit 1943/44 verübten Massaker in Wolhynien und Ostgalizien eine zumindest „moralische Verantwortung“ zu. „Vor dem Krieg machte er (Bandera) kein Geheimnis daraus, dass ‚nicht nur Hunderte, sondern Tausende Menschenleben geopfert werden müssen‘, damit die OUN ihre Ziele realisieren und ein ukrainischer Staat entstehen könne. Die Massengewalt beziehungsweise die ‚Säuberung‘ der Ukraine von Juden, Polen, Russen und anderen ‚Feinden‘ der Organisation war ein zentraler Bestandteil seiner Ziele.“

 

Ab Mitte 1941 säuberte die deutsche Besatzung lokale Polizeieinheiten und Verwaltungen von Anhängern der OUN, zahlreiche ihrer Mitglieder wurden verhaftet und in Konzentrationslager verbracht oder von der SS hingerichtet. Die OUN zögerte dennoch auf die Verfolgungswelle mit Gewalt zu antworten, da sie weiterhin in der Sowjetunion den Hauptfeind sah. Erst 1942 gründete sie nach Auffassung Kai Struves in Wolhynien die Ukrainische Aufständische Armee (Ukrajinska Powstanska Armija, UPA), die 1943 mit dem Widerstand gegen die Deutschen begann.Nach Ansicht von Per Anders Rudling war die UPA jedoch vorher bereits von Taras Borowez und seinen Anhängern gegründet und in den Widerstand geführt worden. Banderas Anhänger – die zum Teil sehr tief in den Holocaust verstrickt gewesen seien – hätten sie lediglich mit Gewalt übernommen und dabei auch Anführer der UPA ermordet. Nach der Niederlage der Deutschen in Stalingrad begann die nun von der OUN-B geführte und radikalisierte UPA eine Terrorkampagne gegen alle Nicht-Ukrainer und tötete sowohl Juden wie Polen und Deutsche.

 

Bandera ließ sich zwar mit deutschen Waffen versorgen, kämpfte jedoch vor allem für die ukrainische Unabhängigkeit. Daher verbündete er sich zeitweilig mit sowjetischen Partisanen gegen die Deutschen, dann wieder mit der antikommunistischen polnischen „Heimatarmee“ gegen die Rote Armee.

 

Am 25. September 1944 wurde Bandera aus der Haft entlassen. Er sollte ein ukrainisches Nationalkomitee gründen und an der Seite der Nationalsozialisten Aktionen des ukrainischen Widerstandes gegen die Rote Armee lenken. Wegen des raschen sowjetischen Vormarsches kam es nicht mehr dazu. Im Dezember 1944 lehnte Bandera die von den Nationalsozialisten angebotene Zusammenarbeit ab. Die UPA löste sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in rivalisierende Gruppen auf, die bis zum Ende der 1950er Jahre aktiv waren.

 

Im Herbst 1946 flüchtete Bandera über Österreich nach München, wo er sich unter dem Namen Stefan Pope jahrelang vor dem sowjetischen Geheimdienst KGB versteckte, da er in der Sowjetunion wegen seiner antisowjetischen Aktionen in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden war. Der KGB-Agent Bogdan Staschinski ermordete ihn am 15. Oktober 1959 im Eingang seines Wohnhauses in der Kreittmayrstraße mit einer pistolenähnlichen Waffe, die Blausäuregas versprühte. Bandera war nicht der einzige ukrainische Exil-Nationalist, der vom KGB getötet wurde: Jewhen Konowalez wurde 1938 in Rotterdam mit einer Sprengfalle und Lew Rebet 1957 ebenfalls von Bogdan Staschinski in München getötet.

 

Die Beurteilung von Bandera ist in der Ukraine sehr umstritten. Vor allem im Westen der Ukraine wird Bandera heute von breiteren Bevölkerungsschichten als Nationalheld verehrt; dort gibt es auch Hunderte nach ihm benannte Straßen, viele lebensgroße Statuen und Büsten, einige monumentale Denkmäler sowie mehrere Museen zu seinen Ehren. Hier gilt Bandera als Märtyrer.

 

Die nationalistische Allukrainische Vereinigung „Swoboda“ sowie die rechtsextreme Organisation Prawyj Sektor berufen sich ebenfalls auf Bandera. Umfragedaten zeigen, dass die Bandera-Verehrung ausschließlich auf den Westen begrenzt ist. Im Zentrum und im Südosten des Landes ist die Zustimmung zu Bandera mit wenigen Ausnahmen sehr niedrig.

 

In der Ostukraine, aber auch in Polen, Russland und Israel gilt Bandera hingegen überwiegend als Verbrecher und NS-Kollaborateur. Die Historiker Grzegorz Rossoliński-Liebe und Per Anders Rudling bezeichnen Bandera als (überzeugten) Faschisten. Der Philosoph und Politikwissenschaftler Alexander Zipko lehnt diese Bezeichnung ab; philosophisch gesehen sei der ukrainische Nationalismus (während des Bestehens der USSR und des Reichskommissariats Ukraine) aufgrund eines fehlenden Überlegenheitsgefühls und wegen eines Minderwertigkeitskomplexes nicht vergleichbar mit dem deutschen Faschismus gewesen.

 

Das Narrativ von ukrainischen Kollaborateuren und „Banderisten“ (banderovcy) wurde in der Sowjetunion und im postsowjetischen Russland gepflegt. Hieran konnte die russische Propaganda ab 2014 mit ihrer Inszenierung des Kriegs gegen die Ukraine als Neuauflage des Kriegs gegen „die ukrainischen Faschisten“, anknüpfen: Die ukrainische Führung wird dabei als „geistige Erben Banderas, des Handlangers von Hitler im Zweiten Weltkrieg“ hingestellt.

 

Im Januar 2010 verlieh der damalige ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko Bandera postum den Ehrentitel Held der Ukraine.

 

Die damalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko von der Vaterlandspartei sprach Juschtschenko in dieser Angelegenheit ihre Unterstützung aus. Die polnische und russische Regierung sowie einige andere Institutionen protestierten gegen diese Ehrung. Das Europäische Parlament äußerte die Hoffnung, dass der neue Präsident der Ukraine diesen Präsidialerlass revidiere. Das Simon-Wiesenthal-Zentrum verurteilte die Ehrung und wies darauf hin, dass Bandera Mitschuld am Tod von Tausenden Juden trage. Im März 2010 kündigte der neue Präsident der Ukraine, Wiktor Janukowytsch, an, dass Juschtschenkos Erlass außer Kraft gesetzt werde. Im Januar 2011 wurden gerichtliche Entscheidungen, den Titel wieder abzuerkennen, schließlich rechtskräftig.

 

Unter dem 2019 ins Amt gewählten Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ist der Versuch eines Wandels in der Geschichtspolitik festzustellen; sie hat sich jedoch nicht völlig verändert, da der neue Kulturminister politisch ähnlich denkt wie sein Vorgänger

 

Ich habe bereits gesagt, dass die Theoretiker der Unabhängigkeit und Souveränität der Ukraine Anfang des 19. Jahrhunderts davon ausgingen, dass eine unabhängige Ukraine sehr gute Beziehungen zu Russland haben sollte. Aber aufgrund der historischen Entwicklung waren diese Gebiete Teil der Polnisch-Litauischen Gemeinschaft - Polen, wo die Ukrainer verfolgt und ziemlich brutal behandelt wurden und grausamem Verhalten ausgesetzt waren. Es gab auch Versuche, ihre Identität zu zerstören. All dies blieb in der Erinnerung der Menschen. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, kollaborierte ein Teil dieser extrem nationalistischen Elite mit Hitler, weil sie glaubten, er würde ihnen die Freiheit bringen. Die deutschen Truppen, sogar die SS-Truppen, ließen Hitlers Kollaborateure die schmutzigste Arbeit verrichten, nämlich die Ausrottung der polnischen und jüdischen Bevölkerung. So kam es zu diesem brutalen Massaker an der polnischen und jüdischen Bevölkerung, aber auch an der russischen Bevölkerung. Angeführt wurde es von den bekannten Personen Bandera und Schuchewitsch. Diese Leute wurden zu Nationalhelden gemacht - das ist das Problem. Und man sagt uns ständig, dass es Nationalismus und Neonazismus auch in anderen Ländern gibt. Ja, es gibt Keimlinge, aber wir entwurzeln sie, und andere Länder bekämpfen sie. Aber in der Ukraine ist das nicht der Fall. Diese Menschen sind in der Ukraine zu Nationalhelden gemacht worden. Es wurden Denkmäler für diese Menschen errichtet, sie sind auf Fahnen abgebildet, ihre Namen werden von Menschenmassen gerufen, die mit Fackeln herumlaufen, wie es in Nazideutschland der Fall war. Das waren die Menschen, die Polen, Juden und Russen vernichtet haben. Es ist notwendig, diese Praxis zu beenden und die Verbreitung dieses Konzepts zu verhindern.

 

Ich sage, dass die Ukrainer ein Teil des einen russischen Volkes sind. Sie sagen: "Nein, wir sind ein separates Volk". Okay, gut. Wenn sie sich als eigenständiges Volk betrachten, haben sie das Recht dazu, aber nicht auf der Grundlage des Nazismus, der Nazi-Ideologie.

 

Putin sagt hier viel Wahres. Am Schluss aber kommt wieder seine Behauptung, dass die Ukrainer ein Teil des russischen Volkes sind. Dann gesteht er aber ihnen zu, ein eigenständiges Volk zu sein, und sagt durchaus richtig, dass das nicht auf Grundlage einer Nazi-Ideologie geschehen kann.

 

Die Ukraine wird nach dem Krieg eine Aufarbeitung der Geschichte von Bandera und seiner Verbrechen brauchen, was Selenskyj schon nach seiner Wahl erkannt hat, aber nicht durchsetzen konnte.

 

Noch viel braucht Russland die Aufarbeitung ihrer Geschichte als Führungsmacht der Sowjetunion. Putin verbot die Organisation «Memorial», die damit breit begonnen hat. Wenn er die Ukraine zurecht in diesem Bereich kritisiert, ist es äusserst heuchlerisch, wenn er gleichzeitig diese Aufarbeitung verboten hat. Es handelt sich um mehr als 20 Millionen Todesopfer.

 

Tucker Carlson: Wären Sie mit dem Gebiet, das Sie jetzt haben, zufrieden?

 

Wladimir Putin: Ich werde die Frage zu Ende beantworten. Sie haben gerade eine Frage über Neo-Nazismus und Entnazifizierung gestellt.

 

Sehen Sie, der Präsident der Ukraine hat Kanada besucht. Diese Geschichte ist gut bekannt, wird aber in den westlichen Ländern totgeschwiegen: Das kanadische Parlament stellte einen Mann vor, der, wie der Parlamentspräsident sagte, während des Zweiten Weltkriegs gegen die Russen gekämpft hat. Nun, wer kämpfte während des Zweiten Weltkriegs gegen die Russen? Hitler und seine Komplizen. Es stellte sich heraus, dass dieser Mann in den SS-Truppen diente. Er hat persönlich Russen, Polen und Juden getötet. Die SS-Truppen bestanden aus ukrainischen Nationalisten, die diese Drecksarbeit erledigten. Der Präsident der Ukraine stand zusammen mit dem gesamten kanadischen Parlament auf und applaudierte diesem Mann. Wie kann man sich das vorstellen? Der Präsident der Ukraine selbst ist übrigens ein Jude.

 

Putin erwähnt eine äusserst peinliche Tatsache. Selenskyj wusste wohl damals nicht, wer der Mann war, der gerade geehrt wurde. Das Versehen wurde in Kanada danach sofort erkannt und der kanadische Präsident entschuldigte sich dafür:

 

«Trudeau entschuldigte sich auch dafür, in welche Lage Selenskyj durch den Vorfall gebracht worden war. "Es ist sehr beunruhigend, dass dieser Fehler von Russland und seinen Unterstützern genutzt wird, um falsche Propaganda darüber zu verbreiten, für was die Ukraine kämpft", sagte Trudeau. Zur Rechtfertigung seines seit 19 Monaten laufenden Angriffskrieges versucht Russland immer wieder, die ukrainische Regierung als "neonazistisch" darzustellen.»

https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/kanada-parlament-nazi-skandal-100.html

 

Tucker Carlson: Meine Frage ist wirklich: Was kann man dagegen tun? Ich meine, Hitler ist seit achtzig Jahren tot, Nazi-Deutschland existiert nicht mehr, und das ist wahr. Ich denke, was Sie sagen, ist, dass Sie den ukrainischen Nationalismus auslöschen oder zumindest kontrollieren wollen. Aber wie wollen Sie das tun?

 

Wladimir Putin: Hören Sie mir zu. Ihre Frage ist sehr subtil.

 

Nun reagiert Putin sehr verletzt. Er spürt sehr wohl die Berechtigung der Frage. Darf man auf Grund von vergangenen Geschehnissen der Ukraine verbieten, eine eigene Nation zu sein.

 

Und darf ich Ihnen sagen, was ich denke? Nehmen Sie es mir nicht übel.

 

Tucker Carlson: Aber natürlich!

 

Wladimir Putin: Diese Frage scheint subtil zu sein, sie ist ziemlich lästig.

 

Sie sagen, Hitler ist seit so vielen Jahren tot, seit 80 Jahren. Aber sein Beispiel lebt weiter. Menschen, die Juden, Russen und Polen vernichtet haben, leben noch. Und der Präsident, der derzeitige Präsident der heutigen Ukraine, applaudiert ihm im kanadischen Parlament, gibt stehende Ovationen! Können wir sagen, dass wir diese Ideologie vollständig ausgerottet haben, wenn das, was wir heute sehen, geschieht? Das ist es, was Entnazifizierung in unserem Verständnis bedeutet. Wir müssen die Leute loswerden, die dieses Konzept aufrechterhalten und diese Praxis unterstützen und versuchen, sie zu bewahren - das ist Entnazifizierung. Das ist es, was wir meinen.

 

Die Aufgabe dieser Entnazifizierung ist nicht die Aufgabe Russlands als Durchsetzung mit einem völkerrechtlich verbotenen Krieg, sie ist die Aufgabe der Ukraine; siehe Bemerkung zuvor.

 

Tucker Carlson: Richtig. Meine Frage ist fast spezifisch, sie war natürlich keine Verteidigung des Nazismus. Ansonsten war es eine praktische Frage. Sie kontrollieren nicht das ganze Land, und es scheint auch nicht so, als ob Sie das wollten. Wie also beseitigt man eine Kultur, eine Ideologie, ein Gefühl oder eine Geschichtsauffassung in einem Land, das man nicht kontrolliert? Was kann man dagegen tun?

 

Wladimir Putin: Wissen Sie, so seltsam es Ihnen auch vorkommen mag, während der Verhandlungen in Istanbul haben wir uns darauf geeinigt - wir haben alles schriftlich -, dass der Neonazismus in der Ukraine nicht kultiviert wird, einschließlich eines Verbots auf legislativer Ebene.

 

Herr Carlson, darauf haben wir uns geeinigt. Es hat sich gezeigt, dass dies während des Verhandlungsprozesses möglich ist. Und es gibt nichts, was die Ukraine als modernen zivilisierten Staat demütigen würde. Ist es einem Staat erlaubt, den Nazismus zu fördern? Das darf er nicht, nicht wahr? Das ist es.

 

Somit bezeugt eigentlich Putin, dass die Ukraine einverstanden ist, den Neonazismus in der Ukraine zu bekämpfen inklusive der nötigen gesetzlichen Regelung. Als müsste er den Vorworf des Nazismus in der Ukraine fallen lassen, da auch Russland die Vereinbarung unterschrieben hat.

 

Tucker Carlson: Wird es Gespräche geben? Und warum hat es keine Gespräche über die Lösung des Konflikts in der Ukraine gegeben? Friedensgespräche.

 

Wladimir Putin: Es hat sie gegeben. Sie haben ein sehr hohes Stadium der Koordinierung der Positionen in einem komplexen Prozess erreicht, aber dennoch waren sie fast abgeschlossen. Aber nachdem wir unsere Truppen aus Kiew abgezogen hatten, warf die andere Seite (die Ukraine), wie ich bereits sagte, all diese Vereinbarungen über Bord und befolgte die Anweisungen der westlichen Länder, der europäischen Länder und der Vereinigten Staaten, Russland bis zum bitteren Ende zu bekämpfen.

 

Dies ist eine Lüge. Es sind nicht die westlichen Länder, die die Ukraine zwingen, den Krieg weiterzuführen bis zum Ende. Es ist der Wille der Ukraine, da sie weiss, was es heissten würde, wenn sie erneut unter die Herrschaft Russlands kommt. Es bedeutet eine völlige Erniedrigung, zwangsweise Russifizierung und ein Ende der Demokratie und der Wahrung der Menschenrechte.

 

Darüber hinaus hat der Präsident der Ukraine ein Verbot von Verhandlungen mit Russland erlassen. Er hat ein Dekret unterzeichnet, das jedem verbietet, mit Russland zu verhandeln. Aber wie sollen wir denn verhandeln, wenn er sich selbst und allen anderen dies verbietet? Wir wissen, dass er einige Ideen zu dieser Regelung vorbringt. Aber um sich auf etwas einigen zu können, müssen wir einen Dialog führen. Ist das nicht richtig?

 

Beim Verbot handelt es sich um ein Verbot von Friedensverhandlungen mit Putin. Aus ukrainischer Sicht sind mit ihm keine Verhandlungen möglich, da er sämtliche Vereinbarungen, die zuvor in Minsk getrofffen hat, nach kurzer Zeit gebrochen hat. Die Verhandlungen müssen mit einer anderen Gegenseite erfolgen. Eigentlich müsste Putin abtreten und seinem Nachfolger die Gespräche übergeben.

 

https://www.n-tv.de/politik/Selenskyj-verbietet-Verhandlungen-mit-Putin-article23628192.html

 

Tucker Carlson: Nun, aber Sie würden nicht mit dem ukrainischen Präsidenten sprechen, sondern mit dem amerikanischen Präsidenten. Wann haben Sie das letzte Mal mit Joe Biden gesprochen?

 

Wladimir Putin: Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mit ihm gesprochen habe. Ich kann mich nicht erinnern, wir können es nachschlagen.

 

Hier wieder eine faule Ausrede. Zudem will Putin nicht direkt mit der Ukraine reden, sondern mit der USA. Die Ukraine ist aber kein Vasall der USA. Sie allein kann Verhandlungspartner sein. Auch die amerikanische Politik kann die Ukraine nicht zu Verhandlungen zwingen und die Bedingungen diktieren, unter denen sie erfolgen.

 

Tucker Carlson: Sie erinnern sich nicht?!

 

Wladimir Putin: Nein, warum? Muss ich mich an alles erinnern? Ich habe meine eigenen Dinge zu tun. Wir haben innenpolitische Angelegenheiten.

 

Tucker Carlson: Aber er finanziert den Krieg, den Sie führen, also denke ich, das wäre erinnerungswürdig?

 

Wladimir Putin: Nun, ja, er finanziert, aber ich habe mit ihm natürlich vor der militärischen Sonderoperation gesprochen. Ich sagte ihm damals übrigens - ich werde nicht ins Detail gehen, das tue ich nie - aber ich sagte ihm damals: "Ich glaube, dass Sie einen großen Fehler von historischem Ausmaß begehen, wenn Sie alles unterstützen, was dort, in der Ukraine, passiert, indem Sie Russland wegdrängen." Das habe ich ihm gesagt, übrigens wiederholt. Ich denke, es wäre richtig, wenn ich hier aufhöre.

 

Tucker Carlson: Was hat er gesagt?

 

Wladimir Putin: Fragen Sie ihn, bitte. Es ist einfacher für Sie, Sie sind ein Bürger der Vereinigten Staaten, gehen Sie und fragen Sie ihn. Es ist nicht angemessen für mich, unser Gespräch zu kommentieren.

 

Beiden traf zu Beginn seiner Amtszeit in Genf. Auffällig war, dass es danach nicht zu einer gemeinsamen Pressekonferenz kam. Lag es daran, dass Biden sich weigerte, als er von den Absichten Putins erfuhr? Er hat offenbar sehr früh die Gefährlicheit von Putin erkannt.

 

Tucker Carlson: Aber Sie haben nicht mehr vor Februar 2022 mit ihm gesprochen?

 

Wladimir Putin: Nein, wir haben nicht miteinander gesprochen. Bestimmte Kontakte werden jedoch aufrechterhalten.

 

 

Tucker Carlson: Glauben Sie, die NATO war besorgt, dass dies zu einem globalen Krieg oder einem Atomkonflikt führen könnte?

 

Wladimir Putin: Zumindest ist es das, worüber sie reden. Und sie versuchen, ihre eigene Bevölkerung mit einer imaginären russischen Bedrohung einzuschüchtern. Das ist eine offensichtliche Tatsache. Und denkende Menschen, keine Spießer, sondern denkende Menschen, Analysten, diejenigen, die sich mit echter Politik befassen, einfach kluge Menschen, verstehen sehr wohl, dass dies ein Schwindel ist. Sie versuchen, die russische Bedrohung zu schüren.

 

Nein, sie nehmen diese russische Bedrohung realistisch wahr, mit grossem Bedauern, und manchmal wohl noch zu wenig energisch.

 

Tucker Carlson: Die Bedrohung, auf die Sie sich, glaube ich, bezogen haben, ist die russische Invasion in Polen und Lettland - expansionistisches Verhalten. Können Sie sich ein Szenario vorstellen, in dem Sie russische Truppen nach Polen schicken?

 

Wladimir Putin: Nur in einem Fall: wenn Polen Russland angreift. Und warum? Weil wir kein Interesse an Polen, Lettland oder irgendwo anders haben. Warum sollten wir das tun? Wir haben einfach kein Interesse. Das ist nur Drohgebärde.

 

Sagt er wirklich die Wahrheit? Hat er nicht zuvor Polen als nazistisch verunglimpft? Er könnte zudem den Krieg in den baltischen Staaten führen, da es dort grössere russische Minderheiten zu «schützen» gilt. Allerdings unterstützt die dortige russische Bevölkerung nur in einer sehr geringen Minderheit den Krieg Russlands und Putin.

 

Tucker Carlson: Nun, das Argument, ich weiß, dass Sie das wissen, ist, dass ihre Armee in die Ukraine einmarschiert ist – Sie haben territoriale Ziele auf dem ganzen Kontinent. Und Sie sagen unmissverständlich, dass Sie das nicht haben?

 

Wladimir Putin: Das kommt überhaupt nicht in Frage. Man muss kein Analytiker sein, es widerspricht dem gesunden Menschenverstand, sich auf einen globalen Krieg einzulassen. Und ein globaler Krieg wird die gesamte Menschheit an den Rand der Zerstörung bringen. Das liegt auf der Hand.

 

Natürlich gibt es Mittel zur Abschreckung. Sie haben uns die ganze Zeit Angst eingejagt: Morgen wird Russland taktische Atomwaffen einsetzen, morgen wird Russland das einsetzen, nein, übermorgen. Was soll's? Das sind nur Schauermärchen für die Leute auf der Straße, um den amerikanischen und europäischen Steuerzahlern zusätzliches Geld für die Konfrontation mit Russland auf dem ukrainischen Kriegsschauplatz abzuluchsen. Das Ziel ist es, Russland so weit wie möglich zu schwächen.

 

Dieses Russland soll und muss tatsächlich geschwächt werden – das Russland, dass die Souveräntität eines anderen Staates verletzt.

 

 

Tucker Carlson: Wer hat Nord Stream in die Luft gejagt?

 

Wladimir Putin: Sie, ganz sicher. (lacht)

 

Tucker Carlson: Ich war an diesem Tag beschäftigt. Ich habe Nord Stream nicht in die Luft gejagt.

 

Wladimir Putin: Sie persönlich haben vielleicht ein Alibi, aber die CIA hat kein solches Alibi.

 

Tucker Carlson: Haben Sie Beweise, dass die NATO oder die CIA es getan haben?

 

Wladimir Putin: Wissen Sie, ich werde nicht ins Detail gehen, aber man sagt in solchen Fällen immer: "Suchen Sie jemanden, der sich dafür interessiert". Aber in diesem Fall sollten wir nicht nur nach jemandem suchen, der interessiert ist, sondern auch nach jemandem, der über Fähigkeiten verfügt. Denn es mag viele Interessenten geben, aber nicht alle von ihnen sind in der Lage, auf den Grund der Ostsee zu sinken und diese Explosion durchzuführen. Diese beiden Komponenten sollten miteinander verknüpft werden: Wer ist interessiert und wer ist in der Lage, es zu tun.

 

Putin hat keine Beweise, er behauptet es einfach. Er weiss wahrscheinlich schon, wer es war.

 

Tucker Carlson: Aber ich bin verwirrt. Ich meine, das ist der größte Akt des industriellen Terrorismus aller Zeiten und der größte CO₂-Ausstoß der Geschichte. Okay, wenn Sie also Beweise hätten, und angesichts Ihrer Sicherheitsdienste, Ihrer Geheimdienste würden Sie das vermutlich, dass die NATO, die USA, die CIA, der Westen das getan haben, warum würden Sie sie nicht präsentieren und einen Propagandasieg erringen?

 

Wladimir Putin: Im Propagandakrieg ist es sehr schwierig, die Vereinigten Staaten zu besiegen, weil die Vereinigten Staaten alle Medien der Welt und viele europäische Medien kontrollieren. Der eigentliche Nutznießer der größten europäischen Medien sind amerikanische Finanzinstitute. Wussten Sie das nicht? Es ist also möglich, sich an dieser Arbeit zu beteiligen, aber es ist sozusagen unerschwinglich. Wir können einfach unsere Informationsquellen ins Rampenlicht stellen, aber wir werden keine Ergebnisse erzielen. Es ist der ganzen Welt klar, was passiert ist, und selbst amerikanische Analysten sprechen direkt darüber. Das ist die Wahrheit.

 

Hier kommt das von Putin geförderte Argument, dass die westlichen Medien völlig von den USA und ihren Interessen gesteurt sind, «Lügenmedien», die uns die Wahrheit verschweigen. Dieses Denken hat sich mit der Corona-Krise verschärft und hat zu einem allgemeinen Misstrauen gegenüber den bisherigen Medien geführt und zu zahlreichen «Alternativmedien», oft sehr reich an Verschwörungstheorien – einem beachtlichen Erfolg der russisichen Propaganda vorallem in Kreisen, die weit rechts verankert sind.

 

Tucker Carlson: Ja. Aber hier ist eine Frage, die Sie vielleicht beantworten können. Sie haben bekanntlich in Deutschland gearbeitet. Die Deutschen wissen ganz genau, dass ihr NATO-Partner dies getan hat, dass sie ihrer Wirtschaft großen Schaden zugefügt haben, von dem sie sich vielleicht nie wieder erholen wird. Warum schweigen sie dazu? Das ist für mich sehr verwirrend. Warum sagen die Deutschen nicht etwas dazu?

 

Wladimir Putin: Das verwirrt mich auch. Aber die heutige deutsche Führung lässt sich eher von den Interessen des kollektiven Westens als von ihren nationalen Interessen leiten, sonst wäre die Logik ihres Handelns oder Nichthandelns schwer zu erklären. Es geht ja nicht nur um Nord Stream-1, das gesprengt wurde, und Nord Stream-2, das beschädigt wurde, sondern ein Rohr ist sicher und gesund, und Gas kann durch es nach Europa geliefert werden, aber Deutschland öffnet es nicht. Wir sind bereit, bitte.

 

Es gibt noch eine andere Route durch Polen, die ebenfalls einen großen Durchfluss ermöglicht. Polen hat sie geschlossen, aber Polen pickt aus der deutschen Hand, es erhält Geld aus paneuropäischen Fonds, und Deutschland ist der Hauptgeldgeber für diese paneuropäischen Fonds. Deutschland ernährt Polen bis zu einem gewissen Grad. Und sie haben die Route nach Deutschland geschlossen. Warum das? Ich verstehe das nicht. Die Ukraine, an die die Deutschen Waffen liefern und Geld geben.

 

Nochmals: Zuvor sprach Putin davon, dass er kein Interesse an Polen hat. In seinen historischen Ausführungen hat er aber Polen als Freund von Hitler bezeichnet, und damit als «Nazi». Nun spricht er aber davon, wie gerade dieses Polen von Deutschland mit einer Nazi-Vergangenheit unterstützt wird wie die Ukraine. Damit sieht er Polen als gefährlich und ein Land ähnlich wie die Ukraine.

 

 

Tucker Carlson: Nun, lassen Sie uns nur ein Beispiel nennen - den US-Dollar, der die Welt in vielerlei Hinsicht geeint hat, vielleicht nicht zu Ihrem Vorteil, aber sicherlich zu unserem. Wird er als Reservewährung, als universell akzeptierte Währung, verschwinden? Wie haben die Sanktionen Ihrer Meinung nach den Platz des Dollars in der Welt verändert?

 

Dass dies sehr rasch geschehen wird und bereits im Herbst des letzten Jahres erfolgt, wurde vor einem Jahr in einem Kommentar auf dem russischen Propaganda-Sender rt deutsch verbreitet. Geschehen ist dies nicht. Argentinien will sogar den Dollar als Landeswährung einführen. Ob es einmal eine weitere grosse Währung geben wird, ist eine völlig offene Frage und nicht so einfach machbar, was auch die Erfahrungen mit dem Euro zeigen.

 

 

Tucker Carlson: Ich denke, das ist eine faire Einschätzung. Die Frage ist, was kommt als nächstes? Und vielleicht tauscht man eine Kolonialmacht gegen eine andere, viel weniger sentimentale und nachsichtige Kolonialmacht? Besteht zum Beispiel die Gefahr, dass die BRICS-Staaten vollständig von der chinesischen Wirtschaft dominiert werden? In einer Weise, die ihrer Souveränität nicht zuträglich ist. Machen Sie sich darüber Sorgen?

 

Wladimir Putin: Wir haben diese Boogeyman-Geschichten schon oft gehört. Es ist ein Schreckgespenst. Wir sind Nachbarn von China. Nachbarn kann man sich nicht aussuchen, genauso wenig wie man sich enge Verwandte aussuchen kann. Wir haben eine gemeinsame Grenze von 1000 Kilometern mit ihnen. Das ist der erste Punkt.

 

Zweitens: Wir haben eine jahrhundertelange Geschichte der Koexistenz, wir sind daran gewöhnt.

 

Drittens: Chinas außenpolitische Philosophie ist nicht aggressiv, sondern sucht immer den Kompromiss, und das können wir sehen. Der nächste Punkt ist folgender. Man erzählt uns immer wieder dieselbe Schreckensgeschichte, und auch jetzt ist es wieder so, wenn auch in beschönigender Form, aber es ist immer noch dieselbe Schreckensgeschichte: Die Zusammenarbeit mit China nimmt immer mehr zu. Das Tempo, mit dem Chinas Zusammenarbeit mit Europa zunimmt, ist höher und größer als das der chinesisch-russischen Zusammenarbeit. Fragen Sie die Europäer: Haben sie keine Angst? Vielleicht, ich weiß es nicht, aber sie versuchen immer noch, sich um jeden Preis Zugang zum chinesischen Markt zu verschaffen, insbesondere jetzt, wo sie mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben. Chinesische Unternehmen erkunden auch den europäischen Markt. Haben chinesische Unternehmen eine kleine Präsenz in den Vereinigten Staaten? Ja, die politischen Entscheidungen sind so, dass sie versuchen, ihre Zusammenarbeit mit China zu begrenzen.

 

Das Argument von Carlson mit dem Tausch mit einer anderen Kolonialmacht ist sehr berechtigt. Das heutige China benimmt sich mit seiner Initiative schon längst als neue Kolonialmacht, besonders in Afrika. Unsere Abhängigkeit von China wird zudem zunehmend als Problem erkannt. China hat sich in den letzten Jahreneiner harten Diktatur verwandelt, ist zur Weltmacht aufgestiegen. Gerade deshalb ist Putin die Freundschaft zu China so wichtig, da er damit den Kampf gegen den Westen breiter führen kann.

 

 

Tucker Carlson: Sie sagten vorhin, dass die Welt viel besser wäre, wenn sie nicht in konkurrierende Bündnisse zersplittert wäre, wenn es eine globale Zusammenarbeit gäbe. Einer der Gründe, warum das nicht der Fall ist, ist die Tatsache, dass die derzeitige amerikanische Regierung gegen Sie eingestellt ist. Glauben Sie, dass Sie mit einer neuen Regierung nach Joe Biden die Kommunikation mit der US-Regierung wiederherstellen könnten? Oder spielt es keine Rolle, wer der Präsident ist?

 

Wladimir Putin: Ich werde es Ihnen sagen.  

 

Sie haben mich gerade gefragt, ob ein anderer Präsident kommt und etwas ändert. Es geht nicht um den Präsidenten, es geht nicht um die Persönlichkeit einer bestimmten Person. Ich hatte ein sehr gutes Verhältnis zu, sagen wir, Bush. Ich weiß, dass er in den Vereinigten Staaten als eine Art Junge vom Lande dargestellt wurde, der nicht viel versteht. Ich versichere Ihnen, dass das nicht der Fall ist. Ich denke, er hat auch in Bezug auf Russland viele Fehler gemacht. Ich habe Ihnen von 2008 erzählt und von der Entscheidung in Bukarest, die Türen der NATO für die Ukraine zu öffnen und so weiter. Das geschah während seiner Präsidentschaft. Er hat tatsächlich Druck auf die Europäer ausgeübt.

 

Aber im Allgemeinen, auf einer persönlichen, menschlichen Ebene, hatte ich eine sehr gute Beziehung zu ihm. Er war nicht schlechter als jeder andere amerikanische, russische oder europäische Politiker. Ich versichere Ihnen, er verstand, was er tat, genauso gut wie andere. Auch zu Trump hatte ich solche persönlichen Beziehungen.

 

…  

 

Er hofft auf Trump, der wie angekündigt, die Unterstützung der Ukraine stoppen wird.

 …

 

Tucker Carlson: Glauben Sie, dass Selenskyj die Freiheit hat, eine Lösung für diesen Konflikt auszuhandeln?

 

Wladimir Putin: Ich kenne die Details nicht, es ist natürlich schwierig für mich, das zu beurteilen, aber ich glaube, er hat sie, jedenfalls hatte er sie früher. Sein Vater hat im Zweiten Weltkrieg gegen die Faschisten, die Nazis gekämpft, ich habe einmal mit ihm darüber gesprochen. Ich sagte: "Wolodja, was machst du da? Warum unterstützt du heute die Neonazis in der Ukraine, während dein Vater gegen den Faschismus gekämpft hat? Er war ein Frontsoldat." Ich werde Ihnen nicht sagen, was er geantwortet hat, das ist ein anderes Thema, und ich denke, es ist nicht richtig, wenn ich das tue.

 

Was hat Selenskyj damals ihm gesagt? Es war wohl nicht das, was Putin von ihm hören wollte. Seine Meinung ist klar: Die Ukraine muss entnazifiziert werden. Nochmals: Es gibt Neozazis in der Ukraine, wie wohl in allen Ländern im Westen, auch der USA (Ku-Klux-Clan, White Primacy – gerade auch unter den Anhängern von Donald Trump, den Putin unterstützt). Und es gibt sie in Russland etwa rund um Alexander Dugin uns seiner faschistischen Ideologie, sogar durchsetzt mit einem heftigen Okultismus). Das Phänomen ist in der Ukraine aber parteipolitisch in viel geringerem Mass vorhanden, kein Ultrarechter wurde in das gegenwärtige Parlament gewählt). Die Ukraine als nazistisch zu erklären, ist völlig unangebracht. Tatsache ist, dass die Ukrainer immer wieder daran gehindert und unterdrückt wurden, wenn sie ihre ukrainische Identität, Sprache und Kultur leben wollten und sogar eine eigene Nation bilden. Dieser Wille bezeichnet Putin als «nazistisch» und verbreitet es in den von ihm ganz beherrschten Medien und lässt entsprechend die Schulbücher neu drucken inklusive seiner Version der Geschichte. So etwa auch im Blick auf die Geschehnisse beim Fall der Berliner Mauer. Die Wiedervereinigung war für ihn eine von Westen inzenierte Übernahme, die nie hätte geschehen sollen.

 

Aber was die Freiheit der Wahl angeht - warum nicht? Er kam mit der Erwartung des ukrainischen Volkes an die Macht, dass er die Ukraine zum Frieden führen würde. Er sprach davon, und dank dieser Erwartung gewann er die Wahl mit überwältigender Mehrheit. … Er hat seine Wähler getäuscht.

 

Selenskyj hoffte, den Konflikt im Donbas bewältigen so können. Er glaubte wohl zu lange daran, dass Putin die Ukraine nicht angreift. Nach dem Angriff hat er sofort erkannt, wie sehr er sich geirrt hat.

 

…  

 

Tucker Carlson: Sie haben die Verbindung zwischen Russland und der Ukraine beschrieben; Sie haben Russland selbst ein paar Mal als orthodox bezeichnet - das ist für Ihr Verständnis von Russland von zentraler Bedeutung. Was bedeutet das für Sie? Nach Ihrer eigenen Beschreibung sind Sie ein christlicher Führer. Welche Auswirkungen hat das auf Sie?

 

Wladimir Putin: Wissen Sie, wie ich bereits erwähnt habe, wurde Fürst Wladimir 988 nach dem Vorbild seiner Großmutter, der Fürstin Olga, getauft, und dann taufte er seine Mannschaft, und dann nach und nach, im Laufe mehrerer Jahre, die ganze Rus. Es war ein langwieriger Prozess - von den Heiden zu den Christen, das dauerte viele Jahre. Aber am Ende verwurzelte sich diese Orthodoxie, das östliche Christentum, tief im Bewusstsein des russischen Volkes.

 

Als Russland sich ausdehnte und andere Nationen aufnahm, die sich zum Islam, zum Buddhismus und zum Judentum bekannten, war Russland immer sehr loyal gegenüber den Menschen, die sich zu anderen Religionen bekannten. Das ist seine Stärke. Das ist völlig klar.

 

Und Tatsache ist, dass die Hauptpostulate, die Hauptwerte in allen Weltreligionen, die ich gerade erwähnt habe und die die traditionellen Religionen der Russischen Föderation, Russlands sind, sehr ähnlich, um nicht zu sagen gleich sind. Übrigens waren die russischen Behörden immer sehr vorsichtig in Bezug auf die Kultur und Religion der Völker, die in das russische Reich kamen. Das ist meiner Meinung nach die Grundlage für die Sicherheit und Stabilität der russischen Staatlichkeit - alle Völker, die in Russland leben, betrachten es im Grunde als ihr Mutterland.

 

Putin hat bereits aus seiner Zeit in Sankt Petersburg eine freundschaftliche Beziehung zum heutigen Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche, Kirill, der mit dem KGB zusammenarbeitete. Diese Kirche ist unter Kirill zur ideologischen Stütze des Putinismus geworden.

 

 

Ich habe gerade von einer großen Familie gesprochen, aber jeder hat seine eigene Familie, und das ist die Grundlage unserer Gesellschaft. Und wenn wir sagen, dass das Mutterland und die Familie besonders miteinander verbunden sind, dann ist das in der Tat so, denn es ist unmöglich, eine normale Zukunft für unsere Kinder und unsere Familien zu sichern, wenn wir nicht eine normale, nachhaltige Zukunft für das ganze Land, für das Mutterland sichern. Deshalb ist das patriotische Gefühl in Russland so stark.

 

Christus sagt: «Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.» Dabei geht es um eine Trennung von Kirche und Staat. Man kann nicht zwei Göttern dienen: dem Patriotismus und dem wirklichen Gott. Genau dieser Fehler geschah in Nazi-Deutschland. Die Mehrheit der evangelischen Christen, die sogenannten «Deutschen Christen» taten dies. Nur die «Bekennende Kirche» weigerte sich, siehe etwa die «Barmer Erklärung», die der Schweizer Theologe Karl Barth formulierte, der den Hitlereid verweigerte und deshalb in die Schweiz zurückkehren musste. Die Bekennende Kirche wurde überwacht und verfolgt, es gab Martyrer wie Dietrich Bonhoeffer.

 

Tucker Carlson: Darf ich sagen, dass sich die Religionen unter anderem dadurch unterscheiden, dass das Christentum eine besonders gewaltfreie Religion ist. Jesus sagt: "Halte die andere Wange hin, töte nicht". Wie kann ein Anführer, der töten muss, egal in welchem Land, wie kann ein Anführer ein Christ sein? Wie bringen Sie das mit sich selbst in Einklang?

 

Wladimir Putin: Das ist ganz einfach: Wenn es darum geht, sich selbst und seine Familie, sein Heimatland zu schützen. Wir werden niemanden angreifen.

 

Ein völliger christlicher Pazifismus ist in dieser gefallenen Welt eine Illusion. Grundsätzlich hat Putin recht. Aber bei seinem Krieg geht es nicht darum, sich selbst, seine Familie und das Heimat zu schützen. Es handelt sich nicht um einen Verteidigungs-, sondern um einen Angriffskrieg.

 

 

 

Was die Religion im Allgemeinen betrifft:  Wissen Sie, es geht nicht um äußere Erscheinungsformen, es geht nicht darum, jeden Tag in die Kirche zu gehen oder den Kopf auf den Boden zu hauen. Es geht um das Herz. Und unsere Kultur ist so sehr auf den Menschen ausgerichtet. Dostojewski, der im Westen als das Genie der russischen Kultur, der russischen Literatur, sehr bekannt ist, hat viel darüber gesprochen, über die russische Seele.

 

Die westliche Gesellschaft ist ja eher pragmatisch. Die Russen denken mehr an das Ewige, an moralische Werte. Ich weiß nicht, vielleicht werden Sie mir nicht zustimmen, aber die westliche Kultur ist eben doch pragmatischer.

 

Ich sage nicht, dass das schlecht ist, es macht es möglich, dass die heutige "goldene Milliarde" gute Erfolge in der Produktion, sogar in der Wissenschaft usw. erzielt. Daran ist nichts auszusetzen, ich sage nur, dass wir irgendwie gleich aussehen, aber unser Verstand ist ein bisschen anders gebaut.

 

Die berühmte «russische Seele». Sicher ist die Kultur und das entsprechende Denken und Empfinden nicht nur in Russland, sondern auch in anderen Kulturen, die nicht zum Westen gezählt werden, anders, was es zu respektieren gilt. Es darf aber nicht dazu führen, dass die «russische Seele» der Ukraine aufgezwungen wird, sie Russen sein müssen und es nicht sind.

 

 

Tucker Carlson: Wann wird das KI-Imperium Ihrer Meinung nach beginnen?

 

Wladimir Putin: (Lachend) Sie stellen immer kompliziertere Fragen. Um sie zu beantworten, muss man ein Experte für große Zahlen, große Daten und KI sein.

 

Die Menschheit ist derzeit vielen Bedrohungen ausgesetzt. Dank der Genforschung ist es jetzt möglich, einen Übermenschen, einen spezialisierten Menschen zu schaffen - einen gentechnisch veränderten Athleten, Wissenschaftler, Militärmann.

 

Es gibt Berichte, dass Elon Musk in den USA bereits einen Chip in das menschliche Gehirn implantieren ließ.

 

Offenbar sieht Putin KI nicht als besonders kritisch an, sie kommt einfach, was nicht zu verhindern ist, was durchaus zutrifft. Sie ist für ihn schon längst ein williges Instrument, das er für seine Propaganda einsetzt, etwa durch seine Troll-Fakrik in Sankt Petersburg. Der KGB hat schon zuvor meiner damals noch «analoger KI» gearbeitet…

 

Mit dem Hinweis auf Musk benutzt er seine Strategie, damit Verschwörungstheorien unterstützen zu können. Von den Anhängern in diesem Bereich profitiert er schon längst. Wohl sämtliche sind Anhänger von Putin, so etwa der sehr erfolgreiche Schweizer Daniele Ganser.

 

Tucker Carlson: Was halten Sie davon?

 

Wladimir Putin: Nun, ich denke, man kann Elon Musk nicht aufhalten, er wird tun, was er für richtig hält. Trotzdem muss man eine gemeinsame Basis mit ihm finden, nach Wegen suchen, ihn zu überzeugen. Ich glaube, er ist ein kluger Mensch, davon bin ich fest überzeugt. Sie müssen also eine Einigung mit ihm erzielen, denn dieser Prozess muss formalisiert und bestimmten Regeln unterworfen werden.

 

 

Nun kommt Carlson noch auf einen Menschenrechtsfall zu sprechen, der das Verhältnis der USA zu Russland trübt.

 

Tucker Carlson: Ich danke Ihnen für die Zeit, die Sie uns geschenkt haben. Ich möchte Ihnen nur noch eine letzte Frage stellen, und zwar zu jemandem, der in den Vereinigten Staaten sehr berühmt ist, hier wahrscheinlich nicht. Evan Gershkovich, der Reporter des Wall Street Journal, ist 32 Jahre alt und sitzt seit fast einem Jahr im Gefängnis. Dies ist eine große Geschichte in den Vereinigten Staaten, und ich möchte Sie direkt fragen, ohne auf Einzelheiten Ihrer Version der Geschehnisse einzugehen, ob Sie als Zeichen Ihres Anstands bereit wären, ihn freizulassen, damit wir ihn in die Vereinigten Staaten zurückbringen können?

 

Wladimir Putin: Wir haben so viele Gesten des guten Willens aus Anstand gemacht, dass ich glaube, dass uns die Gesten ausgegangen sind. Wir haben noch nie erlebt, dass sich jemand in ähnlicher Weise bei uns revanchiert hat. Theoretisch können wir jedoch sagen, dass wir nicht ausschließen, dass wir dies tun können, wenn unsere Partner entsprechende Schritte unternehmen.

 

Wenn ich von den "Partnern" spreche, meine ich in erster Linie die Spezialdienste. Die Sonderdienste stehen miteinander in Kontakt, sie sprechen über die betreffende Angelegenheit. Es gibt kein Tabu, die Frage zu klären. Wir sind bereit, das Problem zu lösen, aber es gibt bestimmte Bedingungen, die über die Kanäle der Sonderdienste diskutiert werden. Ich glaube, dass eine Einigung erzielt werden kann.

 

Wir werden sehen, ob Putin hier geheuchelt hat oder es geschieht…

 

 

 

Tucker Carlson: Evan Gershkovich, das ist etwas ganz anderes, ich meine, das ist ein zweiunddreißig Jahre alter Zeitungsreporter.

 

Wladimir Putin: Er hat etwas anderes begangen.

 

Tucker Carlson: Er ist nur ein Journalist.

 

Wladimir Putin: Er ist nicht nur ein Journalist, ich wiederhole, er ist ein Journalist, der sich heimlich vertrauliche Informationen beschafft hat.

 

 

Tucker Carlson: Ich hoffe, Sie lassen ihn raus. Herr Präsident, ich danke Ihnen!

 

Sollen wir hier enden oder gibt es noch etwas anderes?

 

Tucker Carlson: Ich danke Ihnen, Herr Präsident.

 

 

 

Download
Wahrheit und Lüge im Interview von Tucke
Adobe Acrobat Dokument 1.1 MB

Kommentar schreiben

Kommentare: 0