Christsein in heutigen Zeit
Bild: KATERYNA SHADRINA
(aus der Weihnachtsausstellung der Galerie ICONART in Lwiw)
Letztes Jahr fand in der Ukraine ein Treffen mit dem Pater Iwan statt. Er beantwortete Fragen, die heute von besonderer Bedeutung sind. Er sprach über Krieg, Christentum, Weltanschauung, Wissenschaft und Kunst in der modernen Welt. Zuerst sprach er über den Krieg – und dann über den Glauben.
"Mir scheint, dass während des Krieges alles viel näher zusammengerückt ist. In der Tat ist dieser Krieg, der jetzt stattfindet, eine Fortsetzung aller anderen Kriege. Es gibt einen einzigen Krieg, der seit dem Sündenfall andauert, als der Teufel den Menschen verführte und ihn von Gott trennte", sagt Pater Rybaruk, "in einer linearen Dimension manifestiert er sich in einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort, und das ist etwas, das ständig weitergeht. Es gibt ein Sprichwort: Die Zeit des Krieges ist die beste Zeit für das Christentum. Das liegt daran, dass das Christentum ein Geschenk Gottes ist, um diesen Krieg nach dem Sündenfall zu gewinnen."
Wird der Krieg ein Grund für die Bekehrung zum Glauben an Gott sein?
Pater Rybaruk glaubt, dass die Bekehrung auf unterschiedliche Weise geschieht. "Für manche Menschen ist Ostern die freien Tage um Ostern, und der Karfreitag der freie Tag schon davor. Wenn ein Mensch jeden Tag in die Kirche geht, betet und seinen Liebsten verliert, passiert das Gegenteil. Diese Tage erhalten ihre wirkliche Bedeutung. Ich glaube, dass dies aber nur ein vorübergehendes Phänomen ist, wenn der Glaube nicht so einer tieferen Veränderung führt."
Ein Krieger ist jemand, der durch den Krieg als Vater seine Familie beschützt - ein Soldat ist jemand, der durch den Krieg Geld verdient, ein Schurke ist jemand, der durch den Krieg das Töten genießt. Deshalb werden wir in diesem Krieg auf jeden Fall diesen Krieg gewinnen, wie er auch ausgehen mag. Geistlich haben wir bereits dann gewonnen, wenn wir als Krieger und nicht nur als als Söldner oder sogar Schurken kämpfen. Mit der richtigen Motivation werden wir in jedem Fall diesen Krieg gewinnen, auch wenn uns der Feind übermächtig erscheint - so wie David Goliath mit seiner Motivation besiegte.
Diese Welt ist dreidimensional gestaltet – der Ebene des Geistes, der Seele und des Körpers. Der Krieg findet deshalb auch auf der geistig-seelischen Ebene statt - dem Krieg des Denkens, der Gefühle - und auf der körperlichen Ebene. In ähnlicher Weise besteht das Gebet aus Geist, Wort, Gefühl und Tat. Unsere Jungs an der Frontlinie beten gut mit ihren Waffen. Dies ist ihr Gebet der Tat. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass Gott, als er in Jesus Mensch wurde, in seiner Gegenwart bis in die tiefsten Schichten dieser Welt hingekommen ist. Deshalb findet unser Gebet in all diesen Schichten statt. Gebet bedeutet nicht einfach bloss, die Hände zu falten und zu beten.
Auf die Frage hin, ob wir das dürfen, Gottes Botschaft auf eine so moderne und aktuelle Art und Weise zu lesen, diesem Bild von Gott in unseren eigentlich bloss menschlichen Aktivitäten – in unsern Tagen als Freiwillige, als Sportler und sogar als Biker - nennt Pater Ivan das Beispiel eines berühmten Helden unserer Verteidigung (Soldat, der im Kampf für seine Heimat seine Leben opferte).
"Christus wurde für uns ganz Menschen, damit er in unserem ganzen Menschsein, abgesehen von unser Sündhaftigkeit, einen direkten Draht zu uns hat - er ist in unserem ganzen Menschsein mit uns."
Letztes Jahr im Juni starb Artem Dymyd, der Sohn von Pater Mykhailo Dymyd, einem bekannten Priester und Gelehrten und Gelehrten, und von Ivanka Krypiakevych-Dymyd, einer berühmten Ikonenmalerin in Lwiw. Seine Frau hatte eine Vision von Artem, der gerne Motorrad fuhr, und umd die halbe Welt reise, wie er auf seinem Motorrad in den Himmel fuhr.
Das Problem der Kirche ist, dass sich die Kirchenleute in ihrer Berufung zu oft von den Menschen entfernen und vergessen, dass in Christus jeder Mensch eine besondere Berufung hat. Wir alle sind einzigartig. Die besondere Berufung der Kirchenleute liegt im Dienst für den Menschen, nicht in einer besonderen Heiligkeit. Wenn Jesus Christus so langweilig wäre wie ein großer Teil unserer Kirchenleute, gäbe es heute kein Christentum mehr.
"Viele Menschen wollten damals Christus erleben.
Einige wurden von seiner Liebe so sehr berührt,
dass sie ihm nachgefolgt sind.
Manche nahmen nur das annehmen, was sie selbst hören wollten.
Viele waren einfach nur neugierig auf ihn."
Seine Jünger wussten dann, als sie dem Ruf Jesu folgen, gar nicht, dass durch ihn Gott in dieser Welt erscheinen war. Er war für sie zuerst bloss ein netter, intelligenten, faszinierender Mann, dem sie folgen wollten.
"Die Kirche ist nicht nur ein Gebäude und irgendwelche Kirchenleute, sondern eine Gemeinschaft, die durch Jesus Christus uns Menschen als lebendige Wesen mit dem lebendigen Gott vereint. Die Grundlage des Christentums ist das Bekenntnis zu Christus in seiner Ganzheit als Gott und Mensch zugleich. Gott möchte uns in seinem ganzen Wesen in unserem ganzen Leben begegnen. Und dann werden wir auch verstehen, dass die Kirche jede Gemeinschaft ist, in der Menschen mit Gott vereint sind."
Laut Pater Ivan ist die Matrix, auf der das Leben aufgebaut ist, Religion, Wissenschaft, Philosophie und Kunst. Religion nur für Religion ist Zerstörung, sei es der Moskauer Fanatismus, der iranische oder der chinesische, und sein Scheitern geschah bereits im Paradies.
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"Allgemein gesehen befindet sich der Planet Erde
seit dem Sündenfall in einem Ausnahmezustand,
und Christus ist der Leiter des Komitees,
das diese Welt retten soll."
Die Kirche hat die Aufgabe, diesen Planeten zu retten. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Jugend gelegt werden, denn die Jugend ist die gefährlichste Zeit des Lebens und der Teufel nutzt sie am meisten aus.
"Auch ich habe Dinge getan, für die ich mich heute schäme. Es ist also nicht verwunderlich, dass junge Menschen immer wieder rebellieren. Und der Priester muss sowohl dem guten Schüler als auch dem, der 'in die Schule geschleppt' wurde, eine Lektion erteilen. Das ist die Kunst des Predigens, wenn man einfach das weitergeben kann, wenn man selbst mit Gott erlebt hat. Als ich jung war, war ich entweder Atheist oder Anti-Theist. Und als meine Freunde sich vor der Kirche taufen ließen, sagte ich zu ihnen: 'Seid ihr verrückt - das dritte Jahrtausend steht vor der Tür, und ihr seid wie ein paar alte Damen', und sie sagten zu mir: 'Komm schon, Ivan, es gibt Gott»' Und ich nahm mir die Freiheit zu sagen: 'Wenn es euren Gott gibt, dann soll er mir doch persönlich erscheinen. Ein Jahr später sang ich bereits im Chor der Kirche. Der Herr hat seine eigenen Wege, uns zu erreichen. Wir können ihn nur durch Gottes Geist erfahren."
"Das höchste Gebet ist das Schweigen unter Tränen.
Wenn ein Mensch beim Gebet nie geweint hat,
hat er nie wirklich gebetet."
sagte der Pater weiter. Er sagte auch, dass Gott dem Menschen in seiner Liebe zum Mitmenschen am nächsten ist. Dies ist der einzige Weg, sich mit Gott zu vereinen. Deshalb kann das Gebet tot sein, wenn es gleichzeitig nicht zu einem Handeln führt.
"Im christlichen Glauben geht es darum,
einfach dasjenige selbst auch zu tun,
was Christus jeden Augenblick getan hat:
den Menschen seine Liebe zu zeigen."
Der Teufel kann nichts erschaffen. Aber er beginnt, einen Menschen zu kontrollieren, wenn er ihm einbläut: "Du bist der beste Künstler, Priester, Blogger usw.
Aber Gott ist in allem immer der Beste. Unser Herr möchte seine Pläne durch uns verwirklichen. Er hat für uns alle seine Pläne. Gott schreibt mit der Hand eines Künstlers, sing mit der Stimme eines Sängers, handelt mit der Hand einer Mutter, die Borschtsch kocht, der heute sogar zum UNESCO-Welterbe zählt, begegnet uns in einem Weihnachtslied, das am 25. Dezember, von fünftausend Menschen in einem Dorf gemeinsam angestimmt wird. Das alles ist Kreativität, Verkörperung Gottes.
«Die Gleichgültigkeit gegenüber dem Wort Gottes ist heute ein großes Problem», sagt der Geistliche. Es gibt aber auch die Gleichgültigkeit gegenüber dem Mitmenschen, Korruption mit dem Wunsch, sogar vom Krieg finanziell zu profitieren." Bernard Shaw sagte:
"Der schrecklichste Mensch ist derjenige,
dessen Gott nur im Himmel wohnt, -
und es keine Rolle spielt, wie er auf dieser Erde lebt.
Doch man kommt nicht erst nach dem Tod in den Himmel,
das eigene Leben soll schon etwas vom Himmel zeigen."
Leider liest heute fast niemand die Bibel. Die Bibel ist das Buch mit der größten Auflage in dieser Welt – heute gibt es mehr als zweieinhalb Milliarden Exemplare in den verschiedensten Sprachen und Dialekten, und kaum einer liest sie wirklich.
"Das Evangelium in der Bibel ist wie eine Stimmgabel
für den richtigen Ton unseres Lebens,
andere Texte führen uns nur zu einer Kakophonie."
Und noch eine wichtige Sache betont Pater Rybaruk: "Gott hat uns nie bestraft, bestraft uns auch heute mit diesem Krieg nicht, und wird uns auch nicht nach unserem Tod bestrafen. Der Apostel Paulus sagte, dass wir uns selbst bestrafen. Die Liebe straft nicht, sie kann uns durch unseren Schmerz über das eigene Versagen zu seiner Liebe führen. Dieser gute Schmerz weckt unsere Sehnsucht nach der Erfahrung von Gottes Liebe."
"Es ist wichtig, nicht nur zu glauben,
sondern auch liebende Christen zu sein.
Unsere Liebe muss opferbereit sein."
«Ich bin Gott dankbar für meinen Vater, der vor einigen Monaten verstorben ist. Er hat mir eine wichtige Lektion für mein Leben erteilt. Es gab einmal einen Moment, als wir noch junge Priester waren und in unserem Haus saßen, alle so ernst wirkend. Papa hat die Kuh gemolken und uns dann Milch gebracht, und wir saßen, als wollten wir gerade diese verlorene Welt retten", und er schaute uns an – dann die Milch und wieder uns - und sagte:
"Kinder, ihr müsst selbst auch leben.
Wenn wir selbst auch lebt,
werden die Menschen zu euch kommen,
um auch leben zu können.
Wenn ihr selbst glücklich seid,
werden sie euch folgen.
Geht nach also nach draussen
und geniesst die Sonne,
die gerade wunderbar scheint."
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Reto Zimmerli (Montag, 25 Dezember 2023 12:34)
Das Schlusswort seines Vaters ist wunderbar. Klingt jedenfalls jesuanischer als sein Satz "Unsere Jungs an der Front beten mit ihren Waffen." Aber ich sage das aus der Ferne und nicht in einem kriegsversehrten Land. Ich hoffe aber, dass ich so einen Satz nie auch nur denken müsste...
Max Hartmann (Mittwoch, 27 Dezember 2023 10:30)
Hallo Reto
Ich verstehe dich gut, mir ging es auch so. Ich las zuvor auch das Buch "Schützenhilfe" von Jonas Kratzenberger, der als Freiwilliger und Soldat der Bundeswehr für einige Monate in die Ukraine ging als Unterstützung des Kampfes. Er betete tatsächlich als Christ jeweils im Moment vor dem Schiessen. Es fiel ihm nie leicht, aber als Soldat muss er es tun - und dabei entweder verletzen oder töten, da er keine Wahl hat: Ich oder er. Sieg oder Niederlage. Er musste: Der Feind ist ein Mensch wie ich. Aber es kann nicht sein, dass der Feind sein Ziel erreicht, dass die Ukraine damit ausgelöscht wird - oder sich verteidigt und besteht. Seine Kriegserfahrungen sind nicht schön. Wie jede Armee macht auch die Ukraine Fehler. Doch Fehlverhalten von Soldaten bleibt tatsächlich nicht einfach ununtersucht und unbestraft, wenn es nicht den Regeln entspricht. So erlebte er, wie einige gefangene Russen widerrechtlich erschossen wurden, hörte später aber dann, dass es doch geahndet wurde. Man kann wohl wirklich sagen, dass die ukrainische Armee fairer ist als die russische, die unzählige Kriegsverbrechen begangen hat und begeht. Der ganze Krieg wurde zudem von einem unglaublich groben Verbrecher ausgelöst: Putin. Ich wusste bisher nur wenig, dass die ganze Biografie von Putin äusserst kriminell geprägt ist. Gegenwärtig lese ich: Catherine Belton: Putins Netz. Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste. Es ist unglaublich, wie dieser Mann sich an die Macht gebracht hat und seine Machenschaften völlig ungeniert ausübt. Wir im Westen sind unglaublich naiv im Blick auf ihn. Er hat uns sehr lange unverschämt über den Tisch gezogen.
Die Unterstützung der Ukraine ist für die Freiheit der ganzen Welt unerhört wichtig. Das checken gerade wir Schweizer viel zu wenig.
Danke für dein Interesse am Blog - und dir ein gutes neues Jahr trotz aller düsteren Prognosenö