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Polen Teil III: Die Kulturnation, Warschau und Jerzy Nowosielski

Polen – eine Kulturnation

 

Das Nationalmuseum Polens in Krakau ist ein unverwüstlicher Sowjetbau ohne jede Ästhetik und wirkt wenig einladend. Der Vorplatz wurde allerdings aufgewertet durch Hochbeete mit Gemüse und Gartenblumen, auch Liegestühle sind da und an manchen Tagen gibt es spontane Darbietungen. Eindrücklich das Monument des polnischen Staatsgründers.

 

Doch drinnen ist das Museum top eingerichtet, was die Ausstellungen und die Beleuchtung betrifft. Wir besuchen die Abteilung für moderne Kunst ab Mitte 19. Jahrhundert bis heute – alles polnische Künstler. Sämtliche Epochen der modernen Kunstgeschichte sind durch hochwertige Werke vorhanden, zusätzlich gute Einführungen.

 

 

Ich kann nur staunen, wie aktuell das Kunstschaffens immer war, in der Musik und im Filmschaffen sogar oft weltweit anführend. Das Bild eines rückständigen Landes, das viele bei uns haben, entspricht einfach nicht der Realität. Eine Rückständigkeit entstand in der Sowjetzeit, als das Land formell unabhängig war, aber die wirklichen Entscheidungen in Moskau fielen.

Warschau

Über ein Wochenende sind wir zu Gast bei Matheusz Sora und seiner Frau Agnieza in Warschau. Ich kenne Matheusz via Facebook. Wir haben einander verfolgt, und das führte bei Matheusz zu einer Anfrage, ob ich bereit wäre, einen geistlichen Text zum Thema eines Workshops für Ikonenkünstler zu schreiben, der dann im Katalog des letzten Jahres auf ukrainisch, polnisch und deutsch erschien.

 

Matheusz ist Historiker und arbeitete für die polnische Regierung. Heute ist er als Kurator im Bereich aktueller Sakralkunst tätig. Vor 15 Jahren hat er die Initiative «Nowa Ikona» gestartet, zusammen mit Künstlerinnen und Künstler vor allem in der Ukraine. In Lwiw wurde nach der Unabhängigkeit in der Kunstakademie ein spezieller Lehrgang für Sakralkunst geschaffen, was wohl weltweit einmalig ist.

In der Sowjetzeit war Sakralkunst bedingt durch die atheistische Ideologie verboten. Doch trotz Unterdrückung lebte die Kultur  der traditionellen ukrainischen Ikonen weiter. Mit der Freiheit begann die Malerei erneut. Doch begabte junge Leute wollten nicht mehr in der früheren Tradition malen, wo es keine freie Interpretation gab.

 

Heute treffen sich Kunstschaffende als der Ukraine, Polen, Georgien und Armenien jedes Jahr jeweils für zwei Wochen zum gemeinsamen Malen zu einem vom Kurator gegebenen Thematik. Der Anlass ist eingebettet in einen geistlichen Rahmen: ein Gottesdienst zu Beginn und am Schluss und dazwischen tägliche Andachten.

Matheusz zeigte mir den ersten Katalog. Ich konnte nur staunen, wie sich die Initiative entwickelt hat. Heute besteht eine unglaubliche Vielfalt auf einem sehr hohen künstlerischen Niveau. Die Werke werden in der Ukraine, Polen, Deutschland, Italien – und nächstes Jahr in der Schweiz ausgestellt. Zusammen mit Matheusz darf ich eine längere Ausstellung im Gästehaus der Diakonissengemeinschaft in Riehen durchführen.

 

 

 

Matheusz ist ein sehr quirliger, gebildeter und initiativer Mann. Er führte uns auch an einige wichtige Orte in Warschau, gab uns im Eiltempo Einblicke in die bewegte Geschichete Polens, und das Ehepaar verwöhnte uns mit wunderbarem polnischen Essen: So Entenbrust und Pierogi, selbstgemachte gefüllte Teigtaschen. Und natürlich frischem Obst und Gemüse von lokalen Produzenten.

 

 

Auffällig für mich ist, wieviel Grünflächen und Wald es in der Metropole Warschau gibt. Zudem muss sich bewusst sein, dass die Stadt vor dem Rückzug der deutschen Truppen total zerstört wurde. Auch das historische Zentrum ist ein Neubau nach alten Planen.

 

 

Dort besuchten wir das Schlossmuseum und den historischen Platz in der Altstadt. Wir erlebten auch eine kleine Demonstration von Armeniern, die auf das Geschehen in Berg Karabach aufmerksam machte, wo die jahrhundertalte armenische Bevölkerung aus der nun durch Aserbeidschan besetzte Enklave vertrieben wurde. Und auch den Einsatz der Landfrauen zum polnischen Erntedankfest.

 

Nachdem uns Matheusz an den Bahnhof brachte, wo wir mit der neusten Version des Pendolino fast lautlos durch die Landschaft nach Krakau glitten, beteiligte er sich an einer der grössten Demonstrationen in der Geschichte Polens im Vorfeld der Wahlen. Das Land war acht Jahre gefangen durch eine sehr konservative und nationalistische Partei, die sich von Westeuropa abgrenzen wollte. Das Land braucht aber durch die Bedrohung durch Russland eine starke Bindung an ein durch den Krieg wieder stärker einiges Europa (mit Ausnahme von Ungarn, das zu einer Belastung für die EU geworden ist und offen mit Putin sympathisiert).

 

 

 Matheusz ist ein sehr quirliger, gebildeter und initiativer Mann. Er führte uns auch an einige wichtige Orte in Warschau, gab uns im Eiltempo Einblicke in die bewegte Geschichte Polens, und das Ehepaar verwöhnte uns mit wunderbarem polnischen Essen: So Entenbrust und Pierogi, selbstgemachte gefüllte Teigtaschen. Und natürlich frischem Obst und Gemüse von lokalen Produzenten.

 

Auffällig für mich ist, wieviel Grünflächen und Wald es in der Metropole Warschau gibt. Zudem muss sich bewusst sein, dass die Stadt vor dem Rückzug der deutschen Truppen total zerstört wurde. Auch das historische Zentrum ist ein Neubau nach alten Planen.

 

 

Nachdem uns Matheusz an den Bahnhof brachte, wo wir mit der neusten Version des Pendolino fast lautlos durch die Landschaft nach Krakau glitten, beteiligte er sich an einer der grössten Demonstrationen in der Geschichte Polens im Vorfeld der Wahlen. Das Land war acht Jahre gefangen durch eine sehr konservative und nationalistische Partei, die sich von Westeuropa abgrenzen wollte. Das Land braucht aber durch die Bedrohung durch Russland eine starke Bindung an ein durch den Krieg wieder stärker einiges Europa (mit Ausnahme von Ungarn, das zu einer Belastung für die EU geworden ist und offen mit Putin sympathisiert). 


polnische volkstradition

Jerzy Nowosielski (1923-2011)

 

2023 wurde zum 100. Geburtstag des Künstlers vom polnischen Parlament als «Nowosielski-Jahr» erklärt. Ich wusste von ihm zuvor nichts. Matheusz Sora war es, der uns den Künstlers entdecken liess und uns zu zwei Kirchen in Warschau mit seinen Werken liess. Nowosielski war für Matheusz die Inspiration für seine Initiative «Nowa Ikona» mit jährlichen Workshops für Künstler. Er ermutigt zu einer freien Interpretation der Ikonenmalerei.

 

Der Künstler wurde in Krakau geboren und war Maler, Bühnenbildner, Philosoph und orthodoxer Theologe. Schon früh fühlte er sich der Spiritualität der Griechisch-Katholischen Kirche in der Ukraine hingezogen, später zur Orthodoxie. Nach seinem Studium an der Kunstgewerbeschule in Krakau studierte er Ikonenmalerei in Lemberg.

 

Er wurde bald durch seine Malerei bekannt und konnte 1956 sogar an der wichtigsten Kunstausstellung der Welt, der Biennale in Venedig ausstellen. Seine Kunst umfasst auch «weltliche Werke», wobei er sich immer mehr der Sakralkunst widmete.

 

„Aufgewachsen am Schnittpunkt zweier Kulturen: des Ostens und des Westens, überbrückt er mit seinem Leben und seiner Kunst den Bruch des Christentums und die Fragmentierung des modernen Menschen.“ „Seine Malerei, eine Synthese aus Byzanz und Avantgarde, verleiht der gesamten Realität eine heilige Dimension“, schreibt Krystyna Czerni, Kunsthistorikerin und Kritikerin, in einer Skizze über den Maler.

 

 

 

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