Erlebnis Schönheit, Teil 3: Die Brunnen in Zofingen und in der Bibel
Seit fünf Jahren leben wir in Zofingen. Bedingt durch das Engagement als Pfarrer in Brittnau war diese Kleinstadt für mich «nur» ein Wohnort. Nun beginne ich allmählich, die Stadt in ihrer Schönheit zu entdecken.
Unmittelbar vor und in der Altstadt gibt es viele Brunnen, jede mit ihrer eigenen Geschichte und ihrer künstlerischen Ausführung. Heute sind die Brunnen einfach ein schönes Detail in der Stadt, ein eigenes Kulturerbe. Früher aber waren sie existentiell wichtig: Als Ort, wo das nötige Wasser für den Haushalt und die Körperpflege geholt wurde, Wäsche gewaschen und dabei ausgetauscht wurde (die Männer bezeichneten es als «Geschwätz der Waschweiber» - sie selbst pflegten den Austausch über Ereignisse und Gerüchte in den Handels- und Handwerkszunften, die auch wichtig waren für die politischen Prozesse in der Stadt, von denen die Frauen ausgeschlossen waren). Aber auch bei Brandfällen waren die Brunnen wichtig.
Gespeist werden sie durch Quellwasser aus den umliegenden Hügeln. Teilweise sind die Brunnen sehr gross und umfassen ein bedeutendes Wasservolumen.
Die Brunnen sind nicht nur wichtige Objekte für das Alltagsleben, sie wurden teilweise auch aufwändig gestaltet und sind richtige Kunstwerke. Das zeigt sich besonders im grössten Brunnen auf dem grössten Platz in der Stadt: dem «Niklaus Thut»-Brunnen, gewidmet dem Stadthelden, der beim Kampf die Fahne der Stadt verschluckte, damit sie bei der Niederlage nicht dem Feind als Siegeszeichen überlassen werden konnte. Dieser Brunnen wurde von der akademischen Vereinigung «Zofingia» gespendet.
Hier die Brunnen unserer Stadt – auch als kleine Einladung, selbst mal in die Stadt zu kommen und sie zu entdecken.
Brunnen in der Bibel
Es ist spannend, dem Thema «Brunnen» auch in der Bibel nachzugehen. Ich habe in der «Zürcher Übersetzung» alle Stellen gesucht und dabei so manches rund um das Leben und den Brunnen gefunden:
Brunnen als Gedenkort für eine besondere Gottesbegegnung
1Mo 16,14 Darum nennt man den Brunnen Beer-Lachai-Roi (Brunnen des Lebendigen, der mich sieht). Er liegt zwischen Kadesch und Bered.
Abraham und Sarah waren von Gott Kinder verheissen und damit später Nachkommen wie Sand am Meer und die Sterne am Himmel. Doch nichts erfüllte sich und die beiden kamen in die hohen Jahren. Da ging Sarah die Geduld aus und sie schlug ihrem Mann vor, er solle mit ihrer Magd schlafen, damit es zu einem Kind kommt. Doch als Hagar ihren Sohn gebar, Ismael, war Sarah so einversüchtig, dass sie ihre Magd boshaft behandelte, bis diese mit ihrem Sohn davonlief. An einem Brunnen in der Wüste begegnete ihr schliesslich Gott, der sie tröstete und stärke. Der Name dieses Brunnens ist also mit einer besonderen Geschichte verbunden.
Brunnen als Ort der Begegnung, die zur Liebe führt
1Mo 24,20 Und eilends leerte sie ihren Krug in die Tränkrinne, lief wieder zum Brunnen, um zu schöpfen, und schöpfte für alle seine Kamele.
1Mo 24,29 Nun hatte Rebekka einen Bruder, der hiess Laban. Und Laban lief zu dem Mann hinaus an die Quelle.
1Mo 24,30 Als er nämlich den Nasenring und die Spangen an den Armen seiner Schwester sah und die Worte seiner Schwester Rebekka hörte, wie sie sprach: So hat der Mann zu mir geredet, da begab er sich zu dem Mann, der bei den Kamelen an der Quelle stand.
Später schickt Abraham seinen ältesten Knecht zur Brautschau für seinen Sohn Isaak bei seiner Verwandtschaft in der Wüste. An einem Brunnen wartet dieser mit seinen Kamelen, in der Hoffnung, dass jemand kommt, der ein Gefäss hat, ihm und den Kamelen zu trinken gibt. Es ist Rebekka, die dies gerne tut und ihm damit zeigt, dass sie die gesuchte Frau ist.
Manchmal brauchen wir manchmal gewisse Hinweise, die uns erkennen lassen, wer zu uns passt – und das auch auf der Suche nach der „Frau“ oder dem „Mann des Lebens“. Ich selbst habe da meine eigene Geschichte…
Brunnen und Sabotage
1Mo 26,15 Alle Brunnen, die die Diener seines Vaters noch zu Lebzeiten seines Vaters Abraham gegraben hatten, schütteten die Philister zu und füllten sie mit Erde.
1Mo 26,19 Die Diener Isaaks aber gruben im Tal und fanden dort einen Brunnen mit Quellwasser.
1Mo 26,20 Da fingen die Hirten von Gerar mit den Hirten Isaaks Streit an und sagten: Uns gehört das Wasser! Und er nannte den Brunnen Esek, weil sie sich mit ihm gezankt hatten.
1Mo 26,21 Dann gruben sie einen anderen Brunnen, und sie gerieten auch über diesen in Streit. Und er nannte ihn Sitna.
Leute, die uns zuleid werken gab es schon immer. Damals war der Brunnen ein besonders guter Ort, jemanden zur Verzweiflung zu bringen. Wegen Brunnenrechten gab es es immer wieder Konflikte. Es gab auch Brunnenvergifter – und eine besonders wüste Entwicklung im Blick auf Antisemitismus: Juden mussten als Sündenböcke herhalten und wurden im Rahmen von Verschwörungstheorien umgebracht.
1Mo 26,22 Da zog er weiter und grub einen anderen Brunnen. Über diesen gerieten sie nicht mehr in Streit. Und er nannte ihn Rechobot und sprach: Nun hat uns der HERR weiten Raum geschaffen, und wir werden fruchtbar im Land.
Isaak ist ein sehr erfolgreicher Landwirt – dank den Brunnen, die er im Ödland gräbt. Damit gerät er in Konflikt mit anderen Bewohnern der Umgebung, sucht aber den Frieden, überlässt den Brunnen den Feinden und baut sich an einem anderen Ort seinen Brunnen, der ihm ein friedliches Leben und weiterhin reiche Erträge ermöglicht. Was ein Brunnen in einer sonst fruchtlosen Gegend ermöglicht, können wir, die wir gut mit Wasser versorgt sind, nur erahnen. - Eindrücklich ist auch, was mit dem verwahrlosten Land in Palästina geschah, nachdem Juden aus aller Welt in das Land kamen und der Staat Israel entstand: der Boden erwies sich als enorm fruchtbar (was auch den Neid der bisherigen Einwohner beförderte und damit der endlose und menschliche Konflikt bis in die Gegenwart).
Brunnen als Zufluchtsort in der Wüste
2Mo 2,15 Der Pharao aber hörte davon und trachtete danach, Mose umzubringen. Mose aber floh vor dem Pharao, und im Land Midian liess er sich am Brunnen nieder.
Nachdem Mose als der „Prinz von Ägypten“ erkannte, dass er ein Jude ist, solidarisierte er sich mit seinem Volk in der Knechtschaft und ermordete einen Ägypten, der sein Volk schlug. Als Folge davon musste er in die Wüste flüchten, wo er sich schliesslich an einem Brunnen niederliess und eine Zukunft im Exil fand.
Brunnen und Hygiene
3Mo 11,36 Nur Quellen und Zisternen, in denen sich Wasser sammelt, bleiben rein. Wer aber ein Aas darin berührt, wird unrein.
Es gilt, sorgfältig zu achten, dass ein Brunnen nicht verunreigt ist oder wird. Das gilt bis heute: Es braucht eine ständige Überwachung unseres Trinkwassers. Und an vielen Orten dieser Welt kann das Wasser nicht einfach als Trinkwasser verwendet werden, da es zu verunreingt ist. Heute entdecken viele wieder das Leitungswasser als Trinkwasser und verzichten auf den Kauf unnötigen Mineralwassers. Welcher Segen, dass so gut zu unserem Wasser gesorgt wird!
Brunnen nicht einfach benutzen
4Mo 20,17 Wir möchten durch dein Land ziehen. Wir werden durch kein Feld und keinen Weinberg ziehen und aus keinem Brunnen Wasser trinken. Auf der Königsstrasse werden wir gehen, wir werden nicht nach rechts und links abbiegen, solange wir dein Gebiet durchziehen.
Beim Durchzug der Israeliten ins gelobte Land sorgt Mose dafür, dass es mit den Ureinwohnern nicht zum Konflikt kommt. Deshalb rühren sie keinen Brunnen an. Der Besitz anderer ist wie heilig – wir dürfen uns nicht einfach bedienen.
Gott ist besorgt um den Brunnen und damit das Wohl der Menschen
4Mo 21,16 Und von dort zogen sie nach Beer. Das ist der Brunnen, von dem der HERR zu Mose gesagt hat: Versammle das Volk, und ich will ihnen Wasser geben.
Gott selbst schaut dazu, dass sein Volk in der Wüste nicht verdursten muss. Er führt sie zu einem Brunnen, der unbenutzt war und die Kapizität hatte, ein Volk zu versorgen. So ist Gott auch ein Gott, der um die menschlichen Grundbedürfnisse besorgt ist.
Brunnen und Singen
4Mo 21,17 Damals sang Israel dieses Lied: Brunnen, steig auf, singt von ihm!
Nachdem das Volk diesen Brunnen fand, kann es nicht anders, als Gott dafür ihr Lob zu singen. – Früher war ein Brunnen oft ein Treffpunkt der Menschen, wo ausgetauscht, gefeiert und gesungen wurde. Vielleicht wäre für Zofingen einmal ein „Brunnensingen“ eine schöne Idee.
Brunnen als Versteck
2Sam 17,21 Und nachdem sie gegangen waren, stiegen die beiden herauf aus dem Brunnen, gingen und berichteten alles König David und sagten zu David: Macht euch auf und überquert eilends das Land.
Brunnen mit wenig Wasserstand waren für die Leute von David auf der Flucht vor der Verfolgung von Saul als dem gegenwärtigen König ein geschicktes Versteck. Wer hätte ahnen können, dass sie dort waren.
Brunnen als Durstlöscher
2Sam 23,15 Da wollte David etwas trinken und sagte: Wer holt mir Wasser zum Trinken aus dem Brunnen von Betlehem, der im Tor ist?
2Sam 23,16 Da drangen die drei Helden in das Lager der Philister ein, schöpften Wasser aus dem Brunnen von Betlehem, der im Tor ist, trugen es herbei und brachten es David, er aber wollte es nicht trinken, sondern goss es aus für den HERRN.
Spr 5,15 Trink Wasser aus deiner eigenen Zisterne und frisches Wasser aus deinem Brunnen.
Wie wohltuend ist es, einen eigenen Brunnen zu haben mit Quellwasser! Gottlob ist es in der Regel heute problemlos, sich als durstiger Wanderer dort zu stärken.
Der Löwe im Brunnen
2Sam 23,20 Und Benajahu, der Sohn des Jehojada, war ein tüchtiger, tatkräftiger Mann aus Kabzeel. Er erschlug die zwei Helden aus Moab, und er ging hinab und erschlug den Löwen im Brunnen, an dem Tag, als es schneite.
Dieser Benajahu war offensichtlich ein Kraftprotz, dem niemand gewachsen war, auch nicht der Feind und nicht einmal ein Löwe.
Brunnen als Schandort
2Kön 10,14 Da sprach er: Ergreift sie lebend! Und man ergriff sie lebend, schlachtete sie ab und warf sie in die Zisterne von Bet-Eked, zweiundvierzig Mann, und nicht einen von ihnen liess er übrig.
Kriege sind immer wieder mit schamlosen Verbrechen verbunden – bis hin, dass in Brunnen die Leichen der Ermordeten geworfen werden. – In Butscha nahe von Kyjiw wurden von den Russen Leichen in die Dohlen der Kanalisation geworden, wo sie dann gefunden wurden und schliesslich beerdigt werden konnten.
Brunnenbauer
2Chr 26,10 Und er baute Türme in der Wüste und grub viele Brunnen, denn er hatte viel Vieh, in der Schefela und in der Ebene, Bauern und Winzer auf den Bergen und im Fruchtland - denn er liebte den Landbau.
Einer der wenigen Könige Israels, die positiv auffielen, war Usia, der viele Brunnen bauen liess und die Landwirtschaft förderte.
Brunnen und Wohlstand
Neh 9,25 Und sie haben befestigte Städte und fruchtbares Ackerland eingenommen, und sie haben Häuser in Besitz genommen, voll von allem möglichen Guten, ausgehauene Brunnen, Weinberge und Ölbäume und eine Menge Fruchtbäume, und sie haben gegessen und sind satt und fett geworden und haben geschwelgt in deinen reichlichen Gütern.
Nachdem nach der Zerstörung Jerusalems jahrzehntelang das Volk in der Verbannung war oder nur noch vereinzelt und verarmt im Land, kam es zu einem neuen Aufbau im Land und damit zu einem neuen Wohlstand – obwohl dies mit allen möglichen Mitteln verhindert werden sollte und das Volk verlacht und verspottet wurde. Auch das erinnert wieder an das, was nach der Staatsgründung Israels 1948 geschah. Eigentlich wäre ein friedliches Zusammenleben mit der damals vorhandenen Bevölkerung möglich gewesen – doch es kam zum Krieg und keiner kompromissbereiten Lösung.
Verschmutzter Brunnen als Bild für einen hemmungslosen Menschen
Spr 25,26 Eine trübe Quelle, ein verschmutzter Brunnen, so ist ein Gerechter, der vor einem Frevler wankt.
Die folgenden Bilder reden für sich.
Verschlossener Brunnen als Bild für einen verschlossen Menschen
Spr 25,26 Eine trübe Quelle, ein verschmutzter Brunnen, so ist ein Gerechter, der vor einem Frevler wankt.
Rissiger Brunnen als Bild für einen boshaften Menschen
Jer 2,13 Denn eine doppelte Bosheit hat mein Volk begangen: Mich haben sie verlassen, die Quelle lebendigen Wassers, um sich dann Brunnen auszuhauen, rissige Brunnen, die das Wasser nicht halten.
Jer 6,7 Wie ein Brunnen sein Wasser sprudeln lässt, so lässt sie ihre Bosheit sprudeln, man hört von Gewalttat und Vernichtung in ihr, ständig vor Augen sind mir Wunden und Schläge.
Hos 13,15 Mag er gedeihen zwischen Brüdern - der Ostwind kommt, der Sturm des HERRN, von der Wüste zieht er herauf, und sein Brunnen versiegt, und seine Quelle vertrocknet. Er selbst plündert den Vorrat von alldem, was kostbar ist.
Brunnen als verheissenes Paradies
Jes 12,3 Dann werdet ihr jubelnd Wasser schöpfen aus den Quellen der Rettung.
Die Vision eines friedlichen Lebens ist eine der grossen, bisher unerfüllten Verheissung Gottes an die Menschheit.
Brunnen erfordert Nothandlung
Lk 14,5 Und zu ihnen sagte er: Wer von euch, dem der Sohn oder der Ochse am Sabbat in einen Brunnen fällt, wird ihn nicht sogleich herausziehen - auch an einem Sabbat?
Jesus geriet mit den damaligen Gesetztesvertretern in Konflikt, da er die Meinung vertrat: Das Gesetz ist für den Menschen da, und nicht umgekehrt. Es ist doch selbstverständlich, dass ein Tier, das am Sabbat in einen Brunnen fällt, gerettet wird.
Jesus und die Frau am Brunnen
Joh 4,6 Dort war der Brunnen Jakobs. Jesus war müde von der Reise, und so setzte er sich an den Brunnen; es war um die sechste Stunde.
Joh 4,11 Die Frau sagt zu ihm: Herr, du hast kein Schöpfgefäss, und der Brunnen ist tief. Woher also hast du das lebendige Wasser?
Joh 4,12 Bist du etwa grösser als unser Vater Jakob, der uns den Brunnen gegeben hat? Er selbst hat aus ihm getrunken, er und seine Söhne und sein Vieh.
Am Schluss kehren wir nochmals zurück zum Beginn, der Zeit der Urväter unseres Glaubens, dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Am Jakobsbrunnen in Samariens ereigenet sich wieder eine für Jesus typische Szene. Er bittet als Jude eine Frau aus Samariens, ihm in der Mittagshitze Wasser zu schöpfen. Sie reagiert überrascht, tut aber den Dienst. Er spricht sie dann auf eine andere Ebene der menschlichen Existenz an: dem inneren Durst, der gestillt werden will – dem Durst nach wirklichem Sinn der eigenen Existenz. Der weiss um die Suche der Frau nach wirklicher Liebe. Sechs Männer hat sie gehabt, und der siebte ist eigentlich auch nicht ihr Mann.
Die Frau erkennt sich als durchschaut und gleichzeitig in ihrer Suche angenommen und wahrhaft geliebt. Sie erzählt es den Menschen im Dorf, die in Jesus damit den verheissenen Messias erkennen. So wird der Jakobsbrunnen erneut zu einem Ort wahrhafter Gottesbegegnung.
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