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Covid 19 und Gott (I)

 

Covid-19 und Gott

 

Wenn ich an die historischen Ereignisse in meiner bisherigen Lebenszeit zurückdenke, die sogar weltgeschichtliche Bedeutung haben, so sind das der Herbst 1989, der Herbst 2001 und den Frühling 2020. 

 

All dies sind Ereignisse, mit denen die meisten nicht gerechnet haben. Der Fall der Berliner Mauer und das Ende der kommunistischen Diktatur in Europa, der Sowjetunion und in Äthiopien.

Als junger Christ las ich den damaligen Bestseller im christlichen Bereich: "Alter Planet Erde wohin?" Dort wurde endzeitliche Stimmung verbreitet. Man glaubte nicht an den Untergang des Kommunismus: Im Gegenteil, an seine weitere Ausbreitung und einen Endkampf von Gut und Böse vor dem Kommen Jesu. Später habe ich selbst etwas vom "realen Sozialismus" bei Besuchen in der DDR erlebt. Das war Mitte der 80er-Jahre. Dass einiges am Zerbröckeln ist und der absolute DDR-Statt nicht alles in Griff hat, nahm ich wahr, vor allem bei jungen Menschen. Unser Hochzeitstag war der 7. Oktober 1989. In Berlin feierte man 40 Jahre DDR. Auf unserer Hochzeitsreise sahen wir in Prag Reihen von Autos von DDR-Bürgern, die dahin gereist waren, um in westliche Botschaften zu flüchten und ausreisen zu können. 

 

Kürzlich war das Gedenken an 9/11. In diesem Herbst 2001 geschah auch eine Schiesserei mit mehreren Toten im Zuger Parlament. Und die Swissair machte pleite. Der damalige Bundespräsident Moritz Leuenberger sprach von "Katastrophen apokalyptischen Ausmasses". Nachdem der Kommunismus zerbrochen war, kam eine neue Bedrohung, mit dem kaum jemand gerechnet hatte. Der Terror des radikalen Islam mitten in der westlichen Welt. Die Reaktion waren Kriege: Irak und Afghanistan.

Seither wird von vielen Religion allgemein als Gefahr bezeichnet. In der Schweiz zeigt es sich im stark zunehmendem Säkularismus. Auch der christliche Glaube ist nicht mehr einfach "salonfähig". Die Kirchen sind aus der Mitte der Gesellschaft an den Rand gerückt und zunehmend bläst uns ein rauer Wind entgegen.

Wie reagieren wir? Wollen wir am Alten festhalten und damalige Zustände verklären, die eigentlich mit dem Evangelium zu tun haben, sondern mit bequemen Privilegien? Und wie reagieren wir auf andere Religionen unter uns? 

 

Ich nehme wieder bei Christinnen und Christen, denen der Glaube viel bedeutet, wie damals im Blick auf den Kommunismus, viele Ängste wahr. Mit dieser Reaktion meine ich nicht nur andere - oft ergeht es mir auch so. Aber ist Angst ein guter Ratgeber?

Welche Haltungen stehen eigentlich im Zentrum unseres Glaubens? Sind das Glaube - Hoffnung - Liebe? Strahle ich, strahlen wir das aus? Oder geht es darum, dass wir im Blick auf unsere Zeit und unserer Verängstigung ein Umdenken, eine Umkehr nötig brauchen?

Als Christen sind wir zuerst nicht gegen etwas, wird sind für etwas. 

Wenn ich das grosse Kapitel von Paulus in Römer 8 lese, dann kommt mir dort eine Gewissheit entgegen, die mich fasziniert, und nach der ich mich sehne. "Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes, die unter uns ist." Wow, das ist eine ganz andere Sprache, ein anderes Denken, eine andere Wirklichkeit, als ich oft spreche, glaube und lebe. 

 

Und nun sind wir in der dritten grossen Herausforderung, Covid-19. Auch da stelle ich unter uns viel Verunsicherung und Verängstigung fest. Es fällt schwer, damit umzugehen. Und es gibt eine Sehnsucht nach hilfreicher Einschätzung, was denn da weltweit abgeht. "Gesunde Lehre" wäre gefragt. Finden wir sie, geben wir sie? 

Finde ich sie, gebe ich sie? Was habe ich dazu zu sagen? Ich bin auch einer, der am Ringen ist. Mein Eindruck: Wir brauchen erneut eine gewisse Nüchternheit. Wir können viel Energie einsetzen, um irgendwelche Erklärungen zu finden, Vermutungen zu äussern. Blicken wir durch? Müssen wir alles erklären und einordnen können? Ist das unsere Aufgabe?

 

Oder geht es wieder um die Haltung in Römer 8. Was ist der Fels, auf den ich baue? Was hält und trägt? Wer ist das A und O? Wo ist unser Glaube, unsere Hoffnung, unsere Liebe? Worin investieren wir?

 

Wir verpuffen gegenwärtig viel Zeit und Energie im Streit um unsere Deutung. Wer hat da die Deutungshohheit? Leider führt die gegenwärtige Zeit uns als Glaubende nicht zueinander, eher auseinander. Es regiert bei uns genau derselbe Zeitgeist wie in unserer Gesellschaft, wo der Riss immer grösser wird. 

 

Treten wir in den Riss?

 

Das Bild oben ist ein Graffiti in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens - einem Land, das weit mehr als wir in der Schweiz erschüttert wurde. Stalin ist der berühmteste Mann dieses Landes. Er wollte den christlichen Glauben ausrotten. Georgien ist eines der beiden ältesten Länder, das den Glauben mindestens oberflächlich aufgenommen hat. Stalin hat sein Ziel nicht erreicht. 

 

Gott hat diese Welt geschaffen, und er streckt uns seine Hand entgegen. Fassen wir sie? Fassen wir sie, wenn so vieles gerade jetzt unfassbar ist? Im Hintergrund des Bildes ist ein anderes berühmtes Bild: Sternenhimmel von van Gogh. Es erinnert, dass wir Teil eines Universums sind, das nicht aus uns entstanden ist. Es gibt diese Schöpferhand. 

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