Rückfall in die Depression
Ja, es hat mich wieder einmal erwischt. Im Kopf weiss ich, dass 70% aller, die eine mittelschwere depressive Episode erlebt haben, von Rückfällen betroffen sind.
Nach gut zwei Jahren Freiheit, hat es mich dieses Jahr im Mai erwischt, ausgerechnet in den Ferien. Ich war damals mit meiner Frau dran, das neue Buch zu korrigieren. Das hat offensichtlich viel mit mir gemacht. Erinnerungen sind aufgetaucht und damit auch die Gefühle, die ich in der akuten Zeit der Episode erlebt habe. Die Distanz dazu hat mir plötzlich gefehlt. Ich musste die Arbeit abbrechen und mit meiner Ärztin Kontakt aufnahmen Sie riet mir, die Dosis meines Antidepressivums etwas zu erhöhen. Das half innert drei Tagen. Dennoch waren die Ferien wenig erholsam, vor allem für meine Frau.
Im Rückblick wurde mir bewusst, dass ich den Rat, langsamer und ruhiger unterwegs zu sein und weniger Projekte anzupacken, nicht befolgt hatte. Wenn ich gut unterwegs bin, vergesse ich das.
Doch mein Körper lügt nicht. Er gibt seine Signale. Bei mir sind es unruhige Träume und mehrfaches Aufwachen, überhaupt vermehrte Müdigkeit. Ich wusste über meine Gefährdung, hoffte aber auf die Ferien, die mich erholen lassen. Doch da gibt es den "Bumerang-Effekt". Erst mit einem gewissen Abstand zeigt sich, was das Zuviel mit mir gemacht hat.
In dieser Zeit lag zudem die Spannung auf die kommende Operation in der Luft. Ich musste, dass die erneue Biopsie das Resultat gezeigt hatte, dass fünf von 16 Proben im Blick auf Krebs positiv sind. "Wir müssen handeln" - So sagte es mir der Urologe. Meine Prostata muss ganz weg in der Hoffnung, dass ausserhalb des Organs keine Zellen befallen sind. Meine Einwilligung war ein Vernunftentscheid. Doch die Angst hockte in mir. Was, wenn der Krebs nicht weg sein sollte? Und wie vertrage ich die OP?
Ich bliebt erstaunlich ruhig und liess auch für mich beten. Um Gottes Schutz zu wissen, tut mir gut.
Die OP verlief nicht ganz so wie erhofft. Beim Eindringen in die Bauchdecke entstand eine Verletzung des Dünndarmes. Ich wusste, dass ich dort von einer früheren OP Verwachsungen habe. Der Chirurg musste zunächst nähen, bis er die eigentliche OP durchführen konnte, was ihm gelang. Der Eingriff war damit deutlich länger.
Zurück im Krankenzimmer musste ich aber bald Galle erbrechen. Es wurde eine Darmsonde angelegt werden, was sehr unangenehm ist. Sie konnte gottlob nach einem Tag wieder entfernt werden. Aber ich litt, im Bett keine Position zu finden, in der sich gut liegen lässt. Schon zuvor kämpfte ich mit Verspannungen und Schmerz im rechten Lendenbereich. Sie waren erträglich gewesen, so dass ich mich nie darüber beim Hausarzt geäussert habe.
Drei Wochen nach dem Eingriff gingen wir in die Ferien ins Bergell in der Hoffnung, dass ich nun viel Zeit habe zur Rehabilitation. Doch am dritten Tag wurden meine Schmerzen akut. Ich lag nur noch herum und hoffte durch Schonung auf Besserung. Schliesslich musste ich den Notfall im Gesundheitszentrum im Tal. Dort gab man mir Schmerzmittel und röngte. Ein ernsthafter Befund zeigte sich aber nicht. Am Samstag wechselten wir die Ferienwohnung und fuhren nach Bergün. Die Schmerzen wurden immer schlimmer. Wir entschlossen uns, nach Zofingen zurückzukehren und mich untersuchen zu lassen. Da es Sonntag war, musste ich den Notfall, der gut besetzt war. Dort musste ich zwei Stunden mit meinen heftigen Schmerzen warten. Ich erhielt einige Schmerzmittel, die nutzen sollten. Wenn nicht, soll ich den Hausarzt konsultieren. Das musste ich m Tag danach bereits. Er gab mir noch etwas mehr Schmerzmittel. Aber es nutzte immer noch nic ht. Beim dritten Notfallbesuch erhielt ich dann einen Mix verschiedenster stärkerer Medikamente. Das wirkteund wir konnten sogar noch eine Ferienwoche in Bergün verbringen, aber mit bescheidenem Programm. Ich wusste, es war noch nicht wirklich gut.
Zuhause setzte Physiotherapie ein. Gut zwei Wochen ging es mir wieder ganz gut und ich bewältige mein Programm im Pfarramt, das ziemlich dicht war, problemlos. Zudem freute ich mich auf das Buch, dass nun zum Druck in einen Betrieb in Tschechien abgeliefert war.
Doch der Körper lügt nicht. Ich gönnte mir eine Abendvorstellung im Open Air Kino und danach die 100 Jahre Feier der EVP-Zofingen. Dort bemerkte ich, wie sich mein Tremor stark äusserte. Dann kam noch der Sonntagsdienst. Und am letzten Dienstag ein vollgeladenes Programm. Zwischendurch legte ich mich ins Bett und dann ging es noch los zu einem Taufgespräch.
Am Mittwoch war ich Ende meiner Kräfte. Ich brachte mich nicht aus dem Bett. Das unangenehme Gefühl im Bauch meldete sich, Schwitzanfälle, Kopfschmerzen, kein Appetit, ich konnte nicht klar denken, Angst überfiel mich, Unruhe. Typisch depressiv ging es abends besser. Ich hoffte, dass ich es in zwei bis drei Tage wieder schaffe.
Mein Frau sagte: Melde dich doch bei deiner Ärztin. Doch es schien mir zu viel, mit ihr zu reden. Am Samstagabend war ich sehr verzweifelt und schrie zu Gott: "Lass nicht nicht so weiter leiden. Tu doch ein 'Wunder'!" Sonst kann ich alles vergessen, was eingeplant ist - auch die Lesung mit Musik am 10. September zum Erscheinen des Buches. Und Interviews dazu sind bereits erfolgt und werden erscheinen. Muss ich das stoppen?
Danach schrieb ich endlich der Ärztin im Bewusstsein, dass sie in ihrer Freiheit an einem Wochenwochenende nicht reagiert. In solchen Fällen ist der psychiatrische Notfalldienst zuständig. Ich muss durchhalten bis mindestens Montag. Und vom Hausarzt weiss ich, dass ich die Dosis des Antidepressivums erhöhen kann und notfalls auch das Beruhigungsmittel Temesta nehmen darf. DAs hat auch etwas gewirkt.
Doch dann kam der Telefonanruf. Die Ärztin war bereit, mich zu beraten. Ich musste die Situation der letzten Wochen beschreiben und sie wollte genau wissen, welche Medikamente ich nehmen und sie prüfte sie auf Wechselwirkungen. Das zeigte einen ziemlich eindeutigen Befund. Besonders ein Medikament ist bekannt, dass es Unruhe, Angstgefühle und depressive Zustände auslöst. Da ich eh nicht mehr so viele Schmerzmittel benötige, strich sie es aus der Liste zusammen mit zwei anderen. Ich müsse noch etwas Geduld haben, bis die Wirkstoffe aus dem Körper sind.
Bereits am Sonntag begann ich aufzuleben und lag nur noch wenig im Bett. Heute morgen bin ich wieder problemlos aufgestanden und ich finde auch die Kraft, wieder nach draussen zu gehen, etwas Fahrrad zu fahren und auch zu lesen und zu schreiben. Aber ich will achtsam bleiben.
Weshalb ich das alles schreibe? Als Ermutigung für solche, die auch Rückfälle erleben. Es ist wichtig, nicht zu lange weiterzukämpfen und zu leiden, sondern den behandelnden Arzt aufzusuchen und genau hinzusehen. Ich war in einer schwierigen Phase und die Absturzgefahr ist entsprechend hoch. Aber es gibt Lösungen.
Und offensichtlich hört Gott das verzweifelte Gebet nach einem Wunder. Die Ärztin hat getan, was sie eigentlich nicht tut, und mir rasch telefoniert und mich länger geraten. Den beiden, Gott und der Ärztin gehört mein Dank.
Das Bild oben habe ich in einem Museum in Tbilisi/Tiflis gefunden und begleitet mich seither. So ergeht es mir in einer akuten depressiven Phase. Es ist im Buch auch abgebildet.
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Maria (Montag, 30 August 2021 13:25)
Du bist mutig,ehrlich und tapfer. Du bist ein stärkendes beispiel,danke.
Max,sei gesegnet! Lg maria
Lidia (Montag, 30 August 2021 13:38)
� sei gesegnet lieber Max
Max (Dienstag, 31 August 2021 09:43)
Heute erhielt ich diese Ermutigung:
"Lieber Max, ich habe heute deinen Text gelesen und die Losungen. du bist ein Beispiel, dass die Losung stimmt. Die Losungstexte sind aber auch eine Zusage für dich. E guete Tag."
So spricht der Herr: Gleichwie ich über dieses Volk all dies grosse Unheil habe kommen lassen, so will ich auch das Gute über sie kommen lassen, das ich ihnen zugesagt habe.
Jeremia 32,42
Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden.
1. Johannes 3,2
Wenn unsere Tage verdunkelt sind und unsere Nächte finsterer als tausend Mitternächte, so wollen wir stets daran denken, dass es in der Welt eine grosse segnende Kraft gibt, die Gott heisst. Gott kann Wege aus der Ausweglosigkeit weisen. Er will das dunkle Gestern in ein helles Morgen verwandeln - zuletzt das leuchtende Morgen der Ewigkeit.
Martin Luther Kind